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Stabilität durch Dynamik: Bosch setzt auf AIoT, Elektrifizierung und grünen Wasserstoff

BPK 2021
Sven Kahn

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Dr. Volkmar Denner,

Vorsitzender der Geschäftsführung der Robert Bosch GmbH,

und Prof. Dr. Stefan Asenkerschbaumer,

stellvertretender Vorsitzender der Geschäftsführung,

anlässlich der Bilanzpressekonferenz am 22. April 2021


Es gilt das gesprochene Wort.

Sehr geehrte Damen und Herren,

in diesen bewegten Zeiten sprechen Wirtschaft, Politik und Gesellschaft über den Wandel – wir unternehmen ihn und sind dabei mit großer Dynamik unterwegs. Dies ist eine der spannendsten Zeiten in der Geschichte unseres Unternehmens. Gerade sind Drehraten- und Beschleunigungssensoren von Bosch mit der Nasa-Mission auf dem roten Planeten unterwegs. Sie helfen den Mars-Helikopter zu stabilisieren, von dem wir ganz aktuell so spektakuläre Bilder sehen können. Hier unten auf der Erde freue ich mich, Sie heute zu unserer Bilanzpressekonferenz herzlich begrüßen zu können.

Wandel unternehmen – das heißt für uns: nicht nur das Kerngeschäft weiterentwickeln, sondern aus neuen Herausforderungen auch neues Geschäft machen. Um es bildlich zu sagen: Gegenwind wird zu Rückenwind, wenn man sich konsequent ausrichtet. So antworten wir zum Beispiel auf …

  • den Klimawandel mit der CO2-Neutralität unseres Unternehmens,
  • auf die Notwendigkeit klimaneutraler Mobilität mit elektrischen An-trieben,
  • auf die Pandemie mit dem Wachstumsfeld Molekulardiagnostik,
  • auf die IT- und AI-Entwicklungssprünge in China und den USA mit industrieller AIoT by Bosch.

Bosch hat die richtigen Antworten auf die wesentlichen Zukunftsfragen, um sich an die Spitze wirtschaftlicher und technologischer Veränderungen zu setzen. Die Stabilität unseres Unternehmens liegt in seiner Dynamik. Das haben wir im Krisenjahr bewiesen: Zum einen haben wir uns mit Mut und Konsequenz den Herausforderungen der Pandemie gestellt. Zum anderen haben wir den Übergang von bestehendem zu neuem Geschäft weiter vorangetrieben – immer mit dem Ziel im Blick, das eine muss das andere finanzieren können. Umso wichtiger, dass wir das vergangene Geschäftsjahr trotz Corona mit einem deutlich positiven Ergebnis abschließen konnten und dies auch im laufenden Geschäftsjahr erwarten. Über die Geschäftslage wird nunmehr Stefan Asenkerschbaumer berichten, bevor ich auf die Strategie von Bosch eingehe.

Die Geschäftslage der Bosch-Gruppe: Zuversicht für 2021

Meine Damen und Herren, vor einem Jahr habe ich an dieser Stelle von enormen Herausforderungen für das Geschäftsjahr 2020 gesprochen. Heute kann ich feststellen: Wir haben die großen Herausforderungen gut gemeistert. Und dieser Erfolg vermittelt Zuversicht für das laufende Geschäftsjahr.

Denn auch 2021 verlangt uns sehr viel ab: Die Pandemie birgt weiterhin erhebliche Risiken. Zusätzlich spüren wir gerade im Automobilsektor die Engpässe bei stark nachgefragten Halbleitern. Wir unternehmen in dieser angespannten Situation alles in unserer Macht Stehende, um unsere Kunden zu unterstützen. Daran arbeiten wir gemeinsam mit ihnen und unseren Lieferanten seit Wochen in Task Forces. Eine kurzfristige Verbesserung der Situation ist aber leider nicht zu erwarten, sondern unsere gesamte Industrie wird voraussichtlich auf Monate hinaus mit dieser unbefriedigenden Lage konfrontiert sein. Das belastet die Geschäftsentwicklung in einer Phase der wirtschaftlichen Erholung sowohl bei uns als auch bei unseren Kunden. Auf Dauer müssen die Lieferketten in der Automobilbranche besonders bei Halbleitern resilienter werden. Sie sind neben Corona zugleich auch durch Natur- und Brandkatastrophen gestört worden. Aber auch wenn mehrere Ausnahme-Ereignisse zusammentreffen, müssen wir gemeinsam alles unternehmen, damit die Lieferketten maximal aufrecht erhalten bleiben. Auch darüber sprechen wir mit unseren Geschäftspartnern.

Den Unternehmensbereich Mobility Solutions richten wir konsequent auf Zukunftsfelder wie Elektromobilität, automatisiertes Fahren oder auf die künftige Elektronikarchitektur aus. Dies erfordert enorme Vorleistungen.

Die Herausforderungen des Jahres 2021 gehen wir mit Zuversicht an. Dazu geben uns die Zahlen für das erste Quartal allen Grund:

  • Der Umsatz stieg in der Bosch-Gruppe um 17,0 Prozent. Sicher, da ist bereits ein deutlicher Effekt durch die Coronavirus-Pandemie zu berücksichtigen. Doch auch gegenüber dem Vergleichszeitraum 2019 legte der Umsatz um 8,5 Prozent zu.
  • Bezogen auf die Unternehmensbereiche sehen wir einen Anstieg bei Mobility Solutions mit einem Plus von 13,6 Prozent. Bei Industrial Technology ist für das Plus von 11,6 Prozent die Markterholung im Maschinenbau verantwortlich. Der Unternehmensbereich Consumer Goods profitiert mit einem Zuwachs von 29,4 Prozent weiterhin von der anhaltend hohen Nachfrage nach Haushaltsgeräten und Elektrowerkzeugen. Und auch bei Energy and Building Technology verzeichnen wir mit einem Umsatzwachstum von 10,0 Prozent eine erfreuliche Entwicklung.
  • Bei der Umsatzentwicklung nach Regionen gibt es deutliche Unterschiede. Hier wirken sich drei Faktoren aus: der zeitlich versetzte Einbruch durch die Coronavirus-Pandemie im vergangenen Jahr, erhebliche Wechselkurseffekte sowie das unterschiedliche Erholungstempo der Volkswirtschaften in den großen Weltregionen.
  • Der Umsatz in Asien-Pazifik inklusive Afrika ist nominal um 37,5 Prozent angestiegen, in China allein um 54,4 Prozent. Damit konnten wir in China den Umsatz gegenüber dem Vergleichszeitraum von 2019 um 26,7 Prozent steigern. In Nordamerika verzeichnen wir einen Rückgang um 3,2 Prozent, wechselkursbereinigt allerdings ein Plus von 6,6 Prozent. In Südamerika beträgt der Anstieg 16,2 Prozent. In Europa konnten wir den Umsatz gegenüber 2020 um 13,8 Prozent erhöhen.

Für das Geschäftsjahr 2021 gehen wir derzeit von einem Wachstum der Weltwirtschaft von knapp 4 Prozent aus, nach einem Rückgang um 3,8 Prozent im Vorjahr. Am stärksten fällt die Erholung in Asien aus, gefolgt von Nordamerika. Beide Regionen weisen erkennbare Fortschritte bei der Eindämmung der Pandemie auf. Das macht sich inzwischen auch im Dienstleistungssektor bemerkbar und unterstützt das Wachstum. In den USA kommt das umfangreiche Konjunkturpaket hinzu. In Europa dagegen, wo viele Staaten weiterhin stark von den Einschränkungen aufgrund der aktuellen Ausbreitung des Corona-Virus betroffen sind, wird sich die Erholung weiter verzögern und eine deutlich langsamere Ausweitung der Wirtschaftsleistung von kaum mehr als 3 Prozent die Folge sein. Während 2021 global der BIP-Verlust des vergangenen Jahres ausgeglichen werden dürfte, wird es in Europa wohl erst im kommenden Jahr zu einem Aufholen der Pandemie-bedingten Wachstumsausfälle kommen.

Bei der Automobilproduktion sehen wir die bisher prognostizierte Erholung für 2021 durch die Engpässe bei Halbleitern gefährdet. Ohnehin wird die Produktion erheblich hinter dem Vorkrisenniveau von 92 Millionen Fahrzeugen im Jahr 2019 und dem bisherigen Höchststand von 98 Millionen Fahrzeugen im Jahr 2017 zurückbleiben. Die daraus resultierenden Überkapazitäten belasten die Branche.

Vor diesem Hintergrund und unter der Annahme, dass es nicht zu ähnlich gravierenden Restriktionen wie im zweiten Quartal 2020 durch die Pandemie kommen wird, gehen wir derzeit für 2021 von einem Umsatzanstieg in der Bosch-Gruppe von etwa 6 Prozent aus. Auch für den Unternehmensbereich Mobility Solutions erwarten wir ein Wachstum. Zurzeit rechnen wir mit 5 bis 7 Prozent, auch wenn die Halbleiter-Engpässe die Prognose erschweren. Für Industrial Technology prognostizieren wir einen Zuwachs von rund 6 Prozent. Für Consumer Goods gehen wir derzeit aufgrund der anhaltend guten Entwicklung von einem Umsatzwachstum von rund 5 Prozent im Vergleich zum Rekordvolumen des Vorjahres aus, bei Building and Energy Technology von einem Anstieg um rund 4,5 Prozent.

Wie eingangs gesagt, wird 2021 nochmals ein sehr anspruchsvolles Jahr, um die Bosch-Gruppe auf die zukünftigen Anforderungen auszurichten. Dazu haben wir mit unserem umfassenden Programm zur Verbesserung der Kostenstrukturen und Wettbewerbsfähigkeit eine gute Basis geschaffen. Die vielfältigen Maßnahmen setzen wir weiter konsequent um. Das bedeutet allerdings erneut erhebliche Belastungen durch Restrukturierungskosten. Dennoch sind wir zuversichtlich, dass wir unsere operative Rendite gegenüber dem Vorjahr leicht auf rund 3 Prozent verbessern können; ohne Restrukturierungsaufwendungen ergibt sich eine Rendite von rund 4 Prozent. Allerdings ist auch diese Prognose unsicher aufgrund der schwer abschätzbaren Auswirkungen der Halbleiter-Engpässe und der Pandemie. Das Jahr 2021 wird dennoch ein wichtiger Meilenstein auf unserem Weg, die Zielrendite von rund 7 Prozent in den nächsten zwei bis drei Jahren wieder zu erreichen.

Dafür haben wir mit unserem positiven Ergebnis im Geschäftsjahr 2020 die Grundlage geschaffen, obwohl wir hohe Belastungen durch die Pandemie zu verkraften hatten.

Der Umsatz ging 2020 um 6,4 Prozent auf 71,5 Milliarden Euro zurück. Der Rückgang bezieht sich dabei auf den vergleichbaren bereinigten Wert für 2019, also ohne die damals noch enthaltenen Aktivitäten bei Verpackungsmaschinen.

Trotz des Umsatzrückgangs erzielten wir eine operative EBIT-Rendite von 2,8 Prozent. Bereinigt um Restrukturierungsaufwendungen, die unser Ergebnis 2020 stark belastet haben, ergibt sich ein Wert von 4,7 Prozent. Zu dem angesichts der Pandemie erfreulich positiven Ergebnis haben neben den verbesserten Umsätzen im zweiten Halbjahr 2020 umfangreiche Kostenanpassungen beigetragen.

Zudem weisen bis auf den Unternehmensbereich Mobility Solutions alle Unternehmensbereiche ein positives operatives Ergebnis aus. Für Mobility Solutions gilt dies ebenfalls, wenn man die Belastungen durch die umfangreichen Restrukturierungsmaßnahmen in diesem Bereich außer Acht lässt. Ein Highlight: Der Unternehmensbereich Consumer Goods konnte durch die hohe Nachfrage nach Haushaltsgeräten und Elektrowerkzeugen eine operative Rekordrendite von 11,5 Prozent erzielen.

Hervorzuheben sind auch unsere solide Finanzstruktur mit einer weiterhin sehr guten Eigenkapitalquote von 44 Prozent und einer erfreulichen Liquiditätssituation mit einem Free-Cash-Flow auf der Rekordhöhe von 5,1 Milliarden Euro. Dies ist eine solide Basis, um unsere Zukunftsthemen voranzutreiben.

Damit gebe ich zurück an Volkmar Denner. Detaillierte Informationen zu den Geschäftszahlen 2020 finden Sie in den schriftlichen Unterlagen.

Ausdauer und Sprint in Zeiten des Wandels – Bosch kann beides

Vielen Dank, Stefan! Wenn ich nun die markanten Veränderungen in unserem Umfeld und im Unternehmen behandle, dann komme ich ohne Verweis auf den Zeitfaktor nicht aus. Denn Bosch muss immer beides können – langfristigen Strukturwandel forcieren, aber auch kurzfristig flexibel agieren. Chancen in Megatrends wie Vernetzung und Klimawandel ergreifen – das erfordert Investitionskraft und Durchhaltevermögen. Ein schlagendes Beispiel sind die fünf Milliarden Euro Vorleistungen, die wir bereits für die Elektromobilität aufgewendet haben. Langfristiges Denken ist typisch für Bosch, es schließt jedoch kurzfristige Beweglichkeit nicht aus. Wie sonst könnten wir im Gebrauchsgüter-Geschäft erfolgreich sein? Hier haben wir zuletzt besonders im Online-Geschäft kräftig zugelegt, und hier bringen wir in kurzen Intervallen immer neue Produkte auf den Markt – zum Beispiel den Cookit, eine Küchenmaschine mit integrierter Kochfunktion, die zugleich eine Vielzahl digitaler Dienste ermöglicht. Wir sind zudem vor zehn Jahren entschlossen in den Markt für E-Bike-Antriebe eingestiegen, bald waren wir Europas Marktführer und sind heute der weltweit führende Hersteller. Jüngstes Beispiel für Agilität ist die Entwicklung des PCR-Schnelltests für das Covid19-Virus, die am Beginn der Pandemie auf unserer Vivalytic-Plattform binnen sechs Wochen gelungen ist. Ein Test, mit dem auch alle bekannten Virusmutationen detektiert werden können. Übers Jahr hinaus erschließen wir auf unserer Plattform weitere Einsatzmöglichkeiten, zum Beispiel gegen multiresistente Keime – wichtig in Krankenhäusern und Pflegeheimen. Hier zeichnet sich ein Wachstumsfeld für Bosch ab. Das zeigt: Bosch hat Ausdauer im Wandel, kann aber auch Sprint.

Die Kunden werden Teil der Entwicklung – die Logik von AIoT

In beiden Disziplinen üben wir uns, wenn wir im Zeichen von Vernetzung und künstlicher Intelligenz datengetriebenes Geschäft erschließen. Das ist bisher die Domäne von IT-Firmen außerhalb Europas. Die höchsten Investitionen auf diesen Zukunftsfeldern finden jedenfalls in China und den USA statt. Doch genauer betrachtet, bringt Bosch etwas mit, was einzigartig ist: Wir verbinden vielseitiges Domänenwissen mit Know-how in IoT und AI, also im Internet of Things und in der Artificial Intelligence. Und daraus geht AIoT hervor. So führt die Vernetzung zu Wissen über die Verwendung der Dinge. Und die Auswertung dieses Wissens mit den Methoden künstlicher Intelligenz bietet die Chance zur Entwicklung neuer Funktionen und Dienstleistungen, die wiederum den Nutzen der Dinge vergrößern. Damit schließen wir den Wertschöpfungskreislauf zwischen den Labors unserer Ingenieure und dem Alltag unserer Kunden. Wenn man so will, wird dieser Alltag produktiver Teil unserer Entwicklung. So können wir über Cloud-Algorithmen etwa die Ankunftszeit eines E-Bikers künftig dynamisch nach Erfahrungswerten abschätzen, also nicht mehr nur statisch nach Karte. Aus Felddaten zusätzlichen Kundennutzen ableiten – das wird Kernkompetenz von Bosch. Und aus jedem Produktumsatz auch Serviceumsatz ableiten – das ist unser erklärtes Ziel. Wir entwickeln Bosch weiter zur führenden AIoT-Company.

Was dies technologisch und geschäftlich bedeutet, lässt sich am Beispiel der Videosicherheit zeigen. Wesentlicher Wachstumstreiber ist in Zukunft AI – die auf neuronalen Netzen basierende Videoanalyse. Dazu integrieren wir Detektoren sowohl in neue Kameras als auch in eine AI-Box, die sich mit installierten Geräten verknüpfen lässt. Solche Detektoren entwickeln wir für die Videosicherheit und für die Videosensorik in der Fahrerassistenz – Synergien, wie sie so nur Bosch heben kann. Erste Anwendung in der Videosicherheit ist ein „Traffic Detector“, der Fahrzeuge in verkehrsreichen Situationen auch bei schwierigen Lichtverhältnissen präzise erkennen und lokalisieren kann – das ist wichtig etwa für eine hochgenaue Verkehrsfluss-Messung. Je mehr Daten fließen, desto mehr wird AI können, nicht zuletzt eine exakte Unfalldetektion. Solche Weiterentwicklungen werden mit Software-Updates möglich – das Produkt erhält damit neue Funktionen, es bleibt up-to-date. So schließt sich der AIoT-Kreislauf, und das Produktgeschäft wird durch Softwaregeschäft ergänzt.

Auf diesem Weg kommen wir gut voran. So konnten wir zum Beispiel 2020 rund vier Millionen vernetzbare Geräte für den Wohnbereich verkaufen – Hausgeräte, Elektrowerkzeuge, Heizsysteme und Smart-Home-Devices. 2021 werden es doppelt so viele sein. Und mit KI-fähigen Erzeugnissen werden wir in den nächsten Jahren einen Milliarden-Umsatz erreichen. Dazu haben wir schon jetzt mehr als 50 Produktlösungen realisiert. Katalysator dieser Entwicklung ist nicht zuletzt das Bosch Center for Artificial Intelligence, kurz BCAI. Bereits drei Jahre nach Gründung hat es mit seinen Projekten einen Return of Invest erzielt, bei einem positiven EBIT-Beitrag von rund 300 Millionen Euro.

Mit AIoT setzen wir einen eigenen Akzent im Megatrend der Digitalisierung. Genauso gehen wir im Klimaschutz einen Bosch-Weg. Dies ist ein Megatrend, der wie kein anderer das Leitmotiv unserer Forschung und Entwicklung herausfordert: Technik fürs Leben. Tatsächlich kann Bosch auch hier technische Antworten auf ökologische Fragen geben – das werde ich nunmehr zeigen.

Schub von außen und innen – Aus Klimaschutz wird Geschäft

Wir finden es gut, dass in aller Welt die Anstrengungen für den Klimaschutz anziehen. Erfreulich vor allem: das Comeback der USA im Pariser Abkommen. Besonders ehrgeizig: der Green Deal der Europäischen Union. Für unsere Branchen hat er zwei wesentliche Konsequenzen: mehr Elektrifizierung einerseits, mehr Wasserstoff-Technologien andererseits. Um die gesteckten Ziele zu erreichen, wird der Elektroauto-Anteil unter den Neuzulassungen in Europa noch deutlich stärker steigen müssen als bisher prognostiziert, auf mindestens 60 Prozent im Jahr 2030. Zugleich wird sich die jährliche Rate der energetischen Wohngebäude-Sanierung auf gut zwei Prozent verdoppeln müssen – viel Bewegung also auch in den Immobilien. Vor allem aber zeichnet sich ein Schub für grünen Wasserstoff ab. Dessen Marktvolumen in der EU wird bis 2030 jährlich um 65 Prozent auf nahezu 40 Milliarden Euro wachsen. In Summe heißt das für Bosch: Der Strukturwandel in unseren bestehenden Geschäftsfeldern wird sich beschleunigen, die Chance für neues Geschäft sich vergrößern.

Dieser Umbruch wird nicht nur von außen, sondern auch von innen getrieben – denn die Arbeit an der CO2-Neutralstellung geht weiter. Seit Frühjahr 2020 sind wir mit unseren weltweit mehr als 400 Standorten klimaneutral. Dies ist inzwischen zertifiziert – ein großer Schritt, aber nur ein erster Meilenstein. Denn jetzt nehmen wir den sogenannten Scope 3 in den Blick, den CO2-Ausstoß entlang unserer gesamten Wertschöpfungskette, von den Lieferanten bis zu den Kunden. Dafür haben wir mit der Science-Based-Target-Initiative ein verbindliches Reduktionsziel vereinbart – minus 15 Prozent bis 2030 gegenüber 2018. Das sind 67 Millionen Tonnen Kohlendioxidausstoß weniger, schon dies verringert den CO2-Fußabdruck mehr als 20mal so stark wie die Neutralstellung im eigenen Haus. Und wir konkretisieren das Ziel für Lieferanten und Logistik ebenso wie für die eigenen Produkte. Das heißt zum Beispiel: Der CO2-Fußabdruck wird künftig ein Kriterium bei Neuvergaben im Einkauf. Und vor allem bedeutet dies: Wir verändern unser Produktportfolio – sei es in Richtung Energieeffizienz oder gar Technologiewechsel.

Elektrisches Fahren, elektrisches Heizen – Bosch gewinnt auf dem Markt mit Elektrifizierung

Diese Entwicklung findet, auch wenn die Frage nach einer klimaschonenden Mobilität im Brennpunkt steht, in mehr als einem Unternehmensbereich statt. Elektrifizierung – das erfordert nicht nur Lösungen fürs elektrische Fahren im Auto, vielmehr auch fürs elektrische Heizen in Gebäuden. Hier wie dort geht es um den Übergang von der Verbrenner-Technik der Gegenwart in eine strombasierte Zukunft, hier wie dort forciert Bosch den Fortschritt, hier wie dort allerdings ist eine Ergänzung durch Wasserstoff-Technologien notwendig. Dazu lohnt sich eine differenzierte Analyse, die das „Entweder-Oder“ scheinbar konkurrierender Entwicklungspfade durch ein offenes „Sowohl-als auch“ ersetzt.

Zunächst aber zur Elektrifizierung selbst. In unserem größten Unternehmensbereich Mobility Solutions etabliert sich die Elektromobilität als Kerngeschäft. Wir erbringen dafür hohe Vorleistungen – 700 Millionen Euro allein in diesem Jahr. Mehr als 40 Prozent der FuE-Investitionen unserer Antriebssparte fließen in diese Technologie, nachdem es vor zwei Jahren noch gut 30 Prozent waren. Und dieser Aufwand führt zu Erfolgen, technisch wie geschäftlich. So liegt der Wirkungsgrad unserer E-Achse mit 96 Prozent im Wettbewerb vorn. Und während der Markt für elektrische Antriebskomponenten derzeit jährlich um gut 20 Prozent wächst, legt Bosch um nahezu 40 Prozent zu. Bis Ende 2020 haben wir bereits ein Auftragsvolumen von mehr als 20 Milliarden Euro akquiriert. Unser Umsatz wird sich bis 2025 verfünffachen, auf rund fünf Milliarden Euro. Und ein Jahr zuvor werden wir den „break even“ erreicht haben. Die Elektromobilität ist damit keine Wette auf die Zukunft mehr, wir verdienen die Vorleistungen zurück.

Auch in der Thermotechnik wachsen wir mit elektrischen Lösungen deutlich schneller als der Markt. Unser Umsatz mit Wärmepumpen ist 2020 um mehr als 20 Prozent gestiegen, bis 2025 wird er sich voraussichtlich verdreifachen. Dabei bedeutet das kräftige Wachstum auch eine Herausforderung für die Branche, und dafür kann Bosch typische Stärken einbringen – Investitionskraft, Großserienfähigkeit, Know-how in der Industrialisierung. Einen Vorsprung haben wir nicht zuletzt mit unseren besonders leisen und effizienten Luft-Wasser-Wärmepumpen. Allein der Absatz dieser Geräte hat sich 2020 in Deutschland nahezu verdoppelt. Ob in Gebäuden oder auf der Straße, Bosch gehört zu den Gewinnern der Elektrifizierung.

Ohne Wasserstoff keine Klimaneutralität – Bosch ist „H2-ready“

Je größer die Fortschritte bei der Elektrifizierung, desto mehr stellt sich die Frage: Warum überdies Wasserstoff-Technologien? Weil die rein strombasierte Elektrifizierung sowohl im Verkehr als auch in Gebäuden Grenzen hat – das ist die realistische Antwort. Tatsächlich steigen die Grenzkosten steil an, wenn ausschließlich elektrische Lösungen in allen stationären und mobilen Anwendungen kommen sollen. So rechnet sich der Wärmepumpen-Einbau eher in Neu- als in Bestandsbauten, der Batterie-Antrieb mehr im Pkw als im Lkw – in Off-Highway-Fahrzeugen ist er wenig sinnvoll, in Schiffen oder vielen Flugzeugen gar nicht. Je schwerer die Fahrzeuge, das ist die Faustregel, desto mehr kommt es auf regenerative Kraftstoffe an – und diese Kraftstoffe werden für Chemie- und Stahlwerke in Zukunft ohnehin gebraucht. Wer Klimaschutz wirklich will, darf Technologiepfade nicht gegeneinander ausspielen, er muss sie kombinieren. Ohne Wasserstoff-Wirtschaft jedenfalls wird Europa nicht klimaneutral!

Es ist gut, dass sich diese Erkenntnis durchsetzt. Und doch wird eine Chance ausgelassen, wenn eFuels, gewonnen aus Wasserstoff und CO2, im Straßenverkehr tabu bleiben sollen. Für den Klimaschutz jedenfalls kommt es nicht auf das Ende des Verbrenners an, sondern auf das Ende der fossilen Treibstoffe. Und ein CO2-neutraler Straßenverkehr lässt sich mit E-Mobilität erreichen, aber auch mit regenerativen Kraftstoffen – Bosch forciert beides. Es scheint jedoch, als fixiere sich die europäische Politik allein auf das kurzfristige Ende des Verbrenners, scheue sich aber, über die Beschäftigungsfolgen zu sprechen. Stattdessen waren die ersten Pläne zur Euro7-Regulierung so unrealistisch, dass aus Umweltpolitik eine bedenkliche Industriepolitik werden könnte. Inzwischen kommt Bewegung in die Sache, und vor allem die Versachlichung der Debatte finden wir gut. Denn schon jetzt haben Diesel und Benziner auf die Luftqualität keinen nennenswerten negativen Einfluss mehr, auch dank der Fortschritte von Bosch. Die künftigen Grenzwerte sollten anspruchsvoll sein, aber es wäre ökologisch wie ökonomisch sinnlos, sie auch in Szenarien einzuhalten, die mit sauberer Luft in den Städten nichts mehr zu tun haben: bei Kaltstart am Berg, vollbeladen mit Anhänger.

Meine Damen und Herren, Verbrenner mit synthetischen Kraftstoffen können genauso klimaneutral unterwegs sein wie Batteriefahrzeuge. Klimaneutrale Mobilität – das ist ein beinahe so ehrgeiziges Ziel wie der Mondflug. Kennedy hatte seinerzeit das große Ziel „first man on the moon“ ausgegeben – die konkrete Entwicklung aber den Ingenieuren überlassen. Die EU-Kommission läuft Gefahr, es umgekehrt zu machen. Mit ihrer Politik, die faktisch auf ein Technologie-Monopol hinausläuft, wäre schon die Mondlandung nicht gelungen. Heute schneidet sie mögliche Pfade zum Klimaschutz ab.

Bosch jedenfalls ist offener – wir setzen unsere Antriebssysteme unter Strom, sind aber auch „H2-ready“. Auf dem raschen Weg zur Serienreife befindet sich die Brennstoffzelle, die Wasserstoff in Strom umwandelt. Auch dafür entwickeln wir stationäre ebenso wie mobile Lösungen. Von 2021 bis 2024 investieren wir für den Brennstoffzellen-Antrieb gut 600 Millionen Euro, für Brennstoffzellen-Kleinkraftwerke nochmals 400 Millionen Euro. Diese Zahlen zeigen in aller Deutlichkeit: Bosch antwortet auf den Klimaschutz nicht nur technologieoffen, sondern auch geschäftlich offensiv. Schon in diesem Jahr werden wir nahezu 100 Anlagen mit unserer stationären Brennstoffzelle in Betrieb nehmen, etwa um Rechenzentren, Industriebetriebe und Wohnquartiere mit Strom zu versorgen. Dazu zeigen wir erstmals einen Realbetrieb in der Bamberger Innenstadt. In allen Teilen der Triade sind wir bereits mit unserer Entwicklung für die mobile Brennstoffzelle unterwegs. In diesen Wochen sind wir ein Joint Venture mit der chinesischen Qingling Motor Group eingegangen, und noch in diesem Jahr wird eine Testflotte mit 70 Trucks über die Straße rollen. Überdies beginnt 2021 in unserem Werk Wuxi die Produktion von Brennstoffzellen-Komponenten. Weltweit geht es bis Ende der Dekade um ein Marktvolumen von 18 Milliarden Euro, und wir haben die Power, um auch auf diesem Markt vorn zu sein.

Perspektiven für die Mitarbeiter – Bosch baut Zukunft nicht auf der grünen Wiese, sondern in seinen Werken

Bei allen geschäftlichen Chancen, ich kann meine Ausführungen nicht schließen, ohne auf die Perspektiven unserer Mitarbeiter einzugehen. Denn der Wandel von Bosch mutet nicht zuletzt den Boschlern einiges zu – er wird Beschäftigung kosten, aber auch bringen. Das Unternehmen selbst wird sich auf dem Weg in die Zukunft treu bleiben und Balance halten – nicht nur zwischen ökonomischen und ökologischen Zielen, sondern auch sozialen Interessen. Unsere Mitarbeiter zeigen Offenheit für Veränderung, und das stimmt zuversichtlich.

  • Da sind zum einen die Betriebsvereinbarungen, die wir in unseren Stammwerken abgeschlossen haben. Sie enthalten Kostensenkungen, aber auch Zukunftsbausteine. Damit wird klar: Wir bauen die Zukunft nicht auf der grünen Wiese, sondern in unseren Werken. Dies mag gegen Lehrbuchweisheiten verstoßen, tatsächlich aber können wir Qualifikationen aus Entwicklung und Fertigung von Benzin- und Dieselsystemen für neue Technologien nutzen. Schon in den vergangenen beiden Jahren haben wir mehr als die Hälfte der Stellen für die Elektromobilität mit Mitarbeitern aus dem Verbrenner-Geschäft besetzt. Auch die Brennstoffzelle sorgt bereits für Beschäftigung – in der mobilen Anwendung steigt die Mitarbeiterzahl weltweit allein in diesem Jahr von 600 auf nahezu 1 100, für die stationäre wird sie sich auf gut 500 verdoppeln. Mehr als 90 Prozent dieser Stellen können wir intern besetzen, auch hier vor allem mit Mitarbeitern aus unserer Antriebssparte. Überdies haben wir eine unternehmensweite Vermittlungsplattform aufgebaut. Damit verfolgen wir gleich zwei Ziele: dringend benötigte Stellen schneller besetzen, Fachkräften aus dem klassischen Geschäft neue Perspektiven bieten. So konnten wir für ein großes Fahrzeugcomputer-Projekt binnen sechs Monaten nahezu 100 Ingenieure gewinnen, größtenteils über unsere Plattform, fast ein Viertel aus der Antriebssparte.

  • Genauso wichtig ist ein anderer Punkt: Die Mitarbeiter selbst machen sich auf den Weg, zumindest verstehen sie Bosch mehr denn je als „learning company“. Davon zeugt in besonderem Maße die digitale Qualifizierung. Seit Anfang 2020 verzeichnen wir mehr als 400 000 Zugriffe auf unser Lernportal. 2020 war bereits mehr als jedes dritte Schulungsangebot ein Online-Training, bis 2023 wird es jedes Zweite sein. Schon 1 200 Lernvideos sind über den „Bosch Tube“ im Intranet verfügbar, gut 7 000 Mitarbeiter haben sich bereits in einer „E-University“ eingeschrieben. Was uns inhaltlich wichtig ist: dass die Lernangebote den Weg von Bosch in die Zukunft unterstützen. Dafür stehen zum Beispiel die Software-Schulungen für die Entwickler unserer Mobility Solutions, vor allem aber die KI-Trainings für mehr als 25 000 Führungskräfte.

Sie sehen, meine Damen und Herren, wir tun viel für die Qualifikation und Vermittlung unserer Mitarbeiter für Zukunftsthemen. Es ist gut zu wissen, dass der Wandel von Bosch mehr ist als ein strategisches Ziel. Längst wird er auch von unseren Mitarbeitern „unternommen“. Es ist dieser innovative Geist, der von den Frauen und Männern in unseren Reihen gelebt wird, mit dem wir immer neue, in jedem Fall aber immer besondere Antworten auf die großen Fragen der nächsten Jahre geben werden – ob auf die Digitalisierung oder den Klimaschutz. Am Ende des Jahrzehnts, da bin ich mir sicher, wird Bosch nach wie vor ein stabiles und zugleich dynamisches Unternehmen sein. Vielen Dank fürs Zuhören, jetzt sind wir gespannt auf Ihre Fragen!

Über Bosch

Die Bosch-Gruppe ist ein international führendes Technologie- und Dienstleistungsunternehmen mit weltweit rund 429 000 Mitarbeitenden (Stand: 31.12.2023). Sie erwirtschaftete im Geschäftsjahr 2023 einen Umsatz von 91,6 Milliarden Euro. Die Geschäftsaktivitäten gliedern sich in die vier Unternehmensbereiche Mobility, Industrial Technology, Consumer Goods sowie Energy and Building Technology. Mit seiner Geschäftstätigkeit will das Unternehmen übergreifende Trends wie Automatisierung, Elektrifizierung, Digitalisierung, Vernetzung sowie die Ausrichtung auf Nachhaltigkeit technologisch mitgestalten. Die breite Aufstellung über Branchen und Regionen hinweg stärkt die Innovationskraft und Robustheit von Bosch. Mit seiner ausgewiesenen Kompetenz bei Sensorik, Software und Services ist das Unternehmen in der Lage, Kunden domänenübergreifende Lösungen aus einer Hand anzubieten. Zudem setzt Bosch sein Know-how in den Bereichen Vernetzung und künstliche Intelligenz ein, um intelligente, nutzerfreundliche und nachhaltige Produkte zu entwickeln und zu fertigen. Bosch will mit „Technik fürs Leben“ dazu beitragen, die Lebensqualität der Menschen zu verbessern und natürliche Ressourcen zu schonen. Die Bosch-Gruppe umfasst die Robert Bosch GmbH sowie ihre rund 470 Tochter- und Regionalgesellschaften in mehr als 60 Ländern. Inklusive Handels- und Dienstleistungspartnern erstreckt sich der weltweite Fertigungs-, Entwicklungs- und Vertriebsverbund von Bosch über fast alle Länder der Welt. Basis für künftiges Wachstum ist die Innovationskraft des Unternehmens. Bosch beschäftigt weltweit rund 90 000 Mitarbeitende in Forschung und Entwicklung an 136 Standorten, davon etwa 48 000 Software-Entwicklerinnen und -Entwickler.

Das Unternehmen wurde 1886 als „Werkstätte für Feinmechanik und Elektrotechnik“ von Robert Bosch (1861–1942) in Stuttgart gegründet. Die gesellschaftsrechtliche Struktur der Robert Bosch GmbH sichert die unternehmerische Selbstständigkeit der Bosch-Gruppe. Sie ermöglicht dem Unternehmen langfristig zu planen und in bedeutende Vorleistungen für die Zukunft zu investieren. Die Kapitalanteile der Robert Bosch GmbH liegen zu 94 Prozent bei der gemeinnützigen Robert Bosch Stiftung GmbH. Die übrigen Anteile halten eine Gesellschaft der Familie Bosch und die Robert Bosch GmbH. Die Stimmrechte liegen mehrheitlich bei der Robert Bosch Industrietreuhand KG. Diese hat die durch den Firmengründer Robert Bosch testamentarisch verfügte Aufgabe, für den langfristigen Bestand des Unternehmens und speziell für dessen finanzielle Unabhängigkeit zu sorgen.

Mehr Informationen unter www.bosch.com, www.iot.bosch.com, www.bosch-presse.de.

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