Welche Aufgabe haben Einkauf und Logistik bei Bosch?
Flemming: Bosch vereint Einkauf und Logistik im Supply Chain Management, um für stabile und nachhaltige Lieferketten von der Beschaffungsquelle bis hin zur Auslieferung zu sorgen. Das ist ein zentraler Grundstein, damit Bosch mit Technik das Leben der Menschen verbessern und zur Schonung natürlicher Ressourcen beitragen kann. Im Supply Chain Management arbeiten wir eng mit unseren weltweit rund 225 Fertigungswerken und gut 250 000 Kunden zusammen. Die Aufgabe ist es, die Verfügbarkeit von Komponenten, Rohstoffen und Produkten kundengerecht sicherzustellen. Dabei sind hohe Qualität und wettbewerbsfähige Preise wichtige Ziele, die wir gemeinsam mit unserem Lieferantennetzwerk aus mehr als 35 000 Herstellern und Dienstleistern verfolgen. Unser Lieferantennetzwerk ist darüber hinaus eine wichtige Quelle für die Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft von Bosch.
Welchen Stellenwert hat Nachhaltigkeit für die Lieferketten?
Flemming: Bosch nimmt seine unternehmerische Verantwortung sehr ernst. Deshalb strebt das Unternehmen mit seiner langfristigen Ausrichtung nach einer Balance aus Ökonomie, Ökologie und Sozialem. Diese Verantwortung reicht mit einem jährlichen Einkaufsvolumen von rund 50 Milliarden Euro weit über die Werkstore hinaus. Somit haben Lieferketten mit einem hohen Maß an Nachhaltigkeit und sozialen Standards für Bosch einen besonderen Stellenwert. Gemeinsam mit unserem weltweiten Lieferantenstamm arbeiten wir am ressourcenschonenden Einsatz von Rohstoffen und Material sowie der konsequenten Reduktion von CO2-Emissionen. Das wollen wir etwa durch Vermeiden von Transporten oder optimierte Verpackungen erreichen. Wir sind überzeugt, dass Unternehmen nur auf Basis robuster und nachhaltiger Lieferketten im weltweiten Wettbewerb bestehen und damit zum globalen gesellschaftlichen Wohlstand beitragen können.
Wie geht das Supply Chain Management von Bosch mit geopolitischen Umbrüchen und zunehmenden Wetterextremen um?
Flemming: Stabile Lieferketten sind die Basis für eine funktionierende Wirtschaft. Für Bosch bedeutet es, sich auch im Supply Chain-Management frühzeitig auf immer neue Entwicklungen im Welthandel einzustellen. Dazu verfolgen wir eine „Local-for-local“-Strategie, mit der wir globale Lieferketten verkürzen, flexibilisieren und damit weniger anfällig machen. Mit unserem weltweiten Fertigungsnetzwerk produzieren wir dort, wo unsere Kunden sind. Ein vorausschauendes Supply-Chain-Risk-Management erlaubt es Bosch, auf Risiken etwa durch Lieferengpässe, Naturkatastrophen oder Blockaden von Seewegen frühzeitig zu reagieren. Um bei solchen Störungen globaler Lieferketten oder von Transportwegen Hand in Hand zu arbeiten, ist ein partnerschaftlicher und wertschätzender Umgang mit unseren Lieferanten eine wichtige Voraussetzung. Daneben hilft uns ein hoher Digitalisierungsgrad in den Lieferketten, um in Echtzeit Transparenz über Bestände und Bedarfe zu erhalten – von der Beschaffung über die Fertigung bis hin zum Kunden.
Wie sorgt Bosch für die Einhaltung von gesetzlichen Vorgaben, Umwelt- und Sozialstandards in seinen Lieferketten?
Flemming: Bosch unterhält als globaler Technologieanbieter Lieferbeziehungen mit Unternehmen und Dienstleistern in rund 60 Ländern der Erde. Mit weitreichender Standardisierung unserer Stammdaten und Prozesse im Lieferantenmanagement sind wir in der Lage, unterschiedliche regulatorische Anforderungen zu erfüllen. Die Digitalisierung hilft uns einerseits, im Interesse wettbewerbsfähiger Preise administrative Mehraufwände in den Lieferketten wo immer möglich abzufedern. Andererseits erleichtert es uns, Berichtspflichten nachzukommen und Nachhaltigkeitsziele in den Lieferketten zu verfolgen. Zum Beispiel entwickeln wir Lieferanten weiter, die von Qualitätsstandards abweichen oder prüfen die Einhaltung von Umweltschutzvorgaben und Menschenrechten – jährlich bei mehr als 100 Geschäftspartnern. Bei der Senkung von CO2-Emissionen wirken unsere Anforderungen als Hersteller und Zulieferer wiederum auf Tausende unserer Lieferanten und Vorlieferanten – gemeinsam vervielfachen wir damit den Beitrag zum Klimaschutz.
Was sind die neuesten Trends und Entwicklungen in Einkauf und Logistik bei Bosch?
Flemming: Für das Supply Chain Management von Bosch spielt die automatisierte Planung eine immer größere Rolle, um bei äußeren Einflüssen wie etwa Flutschäden bei Lieferanten oder Materialengpässen am Markt noch besser und ergebniswirksamer handeln zu können. Dazu bauen wir unsere integrierten Planungssysteme aus, die bei einem etwaigen Engpass ein schnelles Umplanen von Lieferquellen, Transportwegen und Produktionsstätten unterstützen. Bei unseren Abläufen setzen wir konsequent auf funktionsübergreifende End-to-End-Prozesse, die wir ständig weiterentwickeln. Ein wichtiges Element ist ein durchgängiger, elektronischer Datenaustausch – zum Beispiel beginnend bei unseren Lieferanten mittels der Digitalplattform SupplyOn über unsere Werke bis hin zu unseren Kunden. Mit dem Einsatz von generativer KI dürfte die automatisierte Planung zukünftig den nächsten Qualitätssprung erleben und unsere Lieferketten weiter stärken. Heute nutzen wir bereits KI etwa in Lieferanten-Hotlines zur Spracherkennung oder im Qualitätswesen bei der Extraktion von Daten aus Zeichnungen und Spezifikationen.
Dr. Arne Flemming ist Leiter Supply Chain Management bei Bosch. In dieser Funktion verantwortet er die Lieferkettensteuerung der Bosch-Gruppe mit weltweit rund 32 000 Mitarbeitenden in den Teilbereichen Einkauf und Logistik.