Die Geschäftslage der Bosch-Gruppe: Enorme Herausforderungen 2020
Meine Damen und Herren, ich möchte mich heute vor allem auf die aktuelle Entwicklung konzentrieren und zum Schluss nur kurz auf die Geschäftszahlen 2019 eingehen. Volkmar Denner hat es schon gesagt: Wir befinden uns in einer Ausnahmesituation.
Die Herausforderungen sind enorm. Dies spiegeln auch die Zahlen für das erste Quartal wider. Sie zeigen bereits Auswirkungen der Corona-Pandemie.
- Der Umsatz ging in der Bosch-Gruppe um 7,3 Prozent gegenüber der vergleichbaren Vorjahreszahl zurück, allein im Monat März um 17 Prozent
- Ein ähnliches Bild sehen wir im Unternehmensbereich Mobility Solutions mit einem Minus in den ersten drei Monaten von 7,7 Prozent und im März von 19 Prozent. Bei Industrial Technology ist dagegen für den Umsatzrückgang von 18,5 Prozent bis März die bereits im Jahresverlauf 2019 stark abgekühlte Maschinenbaukonjunktur die Hauptursache. Im Unternehmensbereich Consumer Goods liegt der Umsatz des ersten Quartals um 2,7 Prozent unter Vorjahr und bei Energy and Building Technology um 4,8 Prozent.
- Regional gesehen brach der Umsatz in Asien-Pazifik (inkl. Afrika) um 15 Prozent ein. Der Rückgang in Europa betrug 4,7 Prozent und in Nordamerika 6 Prozent. Das hohe Minus in Südamerika von 10 Prozent resultiert aus Wechselkurseffekten.
Auch wenn in China die Produktion wieder hochgelaufen ist und sich die Industrie in Europa auf den Wiederanlauf vorbereitet, müssen wir uns für das Gesamtjahr 2020 auf eine tiefe weltweite Rezession einstellen. Das tatsächliche Ausmaß des Rückgangs der Wirtschaftsleistung lässt sich erst ansatzweise abschätzen. Wir gehen jedoch davon aus, dass der Rückgang deutlich stärker ausfallen wird als in der Rezession 2009 mit rund 1,5 Prozent. Bei der Automobilproduktion rechnen wir aktuell für 2020 auf Basis der bislang bekannten Effekte mit einem Minus von mindestens 20 Prozent.
Bezogen auf unser Geschäft erwarten wir, dass die Umsatzeinbußen in den Unternehmensbereichen Mobility Solutions und Consumer Goods besonders stark ausfallen werden. Aber auch in den anderen Bereichen stellen wir uns auf signifikante Rückgänge ein. Angesichts der erheblichen Unsicherheiten können wir für die Bosch-Gruppe keine qualifizierte Prognose zum Gesamtjahr machen. Es bedarf größter Anstrengungen, um zumindest ein ausgeglichenes Ergebnis zu erreichen. Von Vorteil für uns ist in dieser tiefen Krise erneut unsere breite Aufstellung mit unterschiedlichen Unternehmensbereichen.
Deshalb sind für uns unsere vielfältigen Aktivitäten zur Kostenreduzierung und Liquiditätssicherung von zentraler Bedeutung. Dazu gehören unter anderem die derzeit laufenden Arbeitszeitverkürzungen an vielen europäischen Standorten – mit damit verbundenen Einkommenseinbußen der Beschäftigten. Auch die Führungskräfte bringen an den betroffenen Standorten einen Beitrag durch insgesamt bis zu acht Tage unbezahlten Urlaubs im April und Mai, im Schnitt 20 Prozent des Einkommens in den beiden Monaten. Für den obersten Führungskreis weltweit und die Geschäftsführung gilt dies unabhängig von Standortmaßnahmen.
Alle Geschäftsbereiche sind gefordert, bei den Investitionen mit größter Zurückhaltung zu agieren. Dennoch treiben wir Zukunftsinvestitionen wie zum Beispiel den Bau der Halbleiterfabrik in Dresden weiterhin voran. Wir prüfen jedoch auch hier im Einzelfall, ob wir gegebenenfalls Ausgaben strecken können. Gerade bei Mobility Solutions mit seinen engen Lieferketten beobachten wir sehr intensiv die finanzielle Situation unserer Lieferanten. Aber nicht nur dieses: Bislang ist es unseren Logistikern und Einkäufern gemeinsam mit unseren Lieferanten und Kunden gelungen, die Belieferung sicherzustellen. Damit haben wir auch eine gute Basis, um die Produktion wieder hochzufahren.
Gerade in solch unsicheren Zeiten kommt uns unsere sehr solide Finanzstruktur mit einer traditionell hohen Eigenkapitalquote von 46 Prozent Ende 2019 und einer bilanziellen Liquidität von 19 Milliarden Euro zugute. Darüber hinaus haben wir vor wenigen Tagen eine zusätzliche Kreditlinie von 3 Milliarden Euro vereinbart. Ähnlich wie in der Finanzkrise 2008/09 dient diese Maßnahme der Vorsorge.
Wir hatten im Übrigen schon in unseren Planungen mit einem herausfordernden Geschäftsjahr 2020 gerechnet. Dabei waren wir von einer weiteren Abkühlung der weltweiten Konjunktur und insbesondere einem weiteren Rückgang der Automobilproduktion sowie des Dieselanteils bei Personenwagen ausgegangen. Auf dieser Basis waren wir für 2020 von einem Umsatz leicht unter dem Niveau von 2019 und einer operativen Rendite von 3,5 Prozent ausgegangen. Bosch befindet sich wie auch die Automobilbranche insgesamt in einer Phase des Aufbruchs und des Umbruchs. Wir treiben einerseits mit erheblichen Vorleistungen Zukunftsfelder voran. Dazu gehören die Elektromobilität einschließlich Brennstoffzelle, das automatisierte Fahren, die künftige Elektronikarchitektur im Fahrzeug, das Internet der Dinge, Anwendungen von Methoden der Künstlichen Intelligenz, die vernetzte Fabrik der Zukunft und auch die Elektrifizierung in der Heiztechnik. Gleichzeitig sind erhebliche Anpassungen gerade im Bereich Mobility Solutions erforderlich. Vorleistungen und Anpassungen belasten das Ergebnis zusätzlich.
Dies zeigen auch die Geschäftszahlen 2019. In den schriftlichen Unterlagen finden Sie dazu detaillierte Informationen. Aufgrund einer Reihe erfolgreicher Produkte lag der Umsatz der Bosch-Gruppe mit 77,7 Milliarden Euro nahezu auf Vorjahresniveau – trotz einer bereits schwachen weltweiten Konjunktur und eines Rückgangs der Automobilproduktion von 5,5 Prozent. Wir konnten gerade auch bei Mobility Solutions Marktanteile gewinnen. Die operative
EBIT-Rendite der Bosch-Gruppe blieb jedoch mit 4,2 Prozent deutlich unter dem Niveau des Vorjahres von 7 Prozent. Ohne positive Sondereffekte insbesondere durch den Verkauf der Aktivitäten bei Verpackungsmaschinen ergibt sich eine Rendite von 3,5 Prozent.
Wir haben deshalb schon zum Jahresanfang 2020 ein umfassendes Programm zur Verbesserung der Kostenstrukturen und zur Absicherung unserer Liquidität aufgelegt. Es betrifft alle Bereiche und Funktionen weltweit. Die Maßnahmen sind dabei auf die jeweils unterschiedlichen Anforderungen ausgerichtet. Unser Ziel ist die mittelfristige Rückkehr zu einer operativen Rendite von rund 7 Prozent, ohne die wesentlichen Zukunftsaufgaben zu vernachlässigen. Daran arbeiten wir, neben der Bewältigung der Corona-Pandemie, mit allem Nachdruck. Denn damit schaffen wir das finanzielle Fundament, um die großen und vielfältigen Zukunftschancen der Bosch-Gruppe zu nutzen. Damit gebe ich zurück an Volkmar Denner.