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Gegen Corona, für das Klima: Bosch stellt sich verantwortlich und mit „Technik fürs Leben“ der Krise

Bosch Annual press conference 2020
Sven Kahn

Sven Kahn >

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Vortrag von Dr. Volkmar Denner,

Vorsitzender der Geschäftsführung der Robert Bosch GmbH,

und Prof. Dr. Stefan Asenkerschbaumer,

stellvertretender Vorsitzender der Geschäftsführung,

anlässlich der Bilanzpressekonferenz am 29. April 2020


Es gilt das gesprochene Wort.



Sehr geehrte Damen und Herren,

wir befinden uns in einem Ausnahmezustand: die Welt, die Menschen, auch wir bei Bosch. Die Corona-Pandemie zeigt uns Grenzen auf, sie zeigt aber auch, was wirklich wesentlich ist: Es ist die Gesundheit unserer Mitarbeiter und ihrer Familien. Es ist auch Ihre Gesundheit, meine Damen und Herren.

In dieser Zeit kann unsere Bilanzpressekonferenz nur im Livestream stattfinden – dazu heiße ich Sie mit besonderer Herzlichkeit willkommen.

Aber worüber sprechen in dieser Zeit? Es gibt auch bei Bosch derzeit so vieles, was es noch nie gegeben hat – was vor Corona unvorstellbar gewesen war:

  • dass wir genauso wie unsere Kunden und Lieferanten auf breiter Front die Produktion herunterfahren mussten, zunächst in China, dann auch in 20 anderen Ländern in Asien, Europa und Amerika.
  • dass rund um den Globus nahezu 100 Werke im „shutdown“ waren. Derzeit sind es noch 63, davon 20 in Asien-Pazifik, 21 in Amerika sowie 22 in Europa.
  • dass allein in Deutschland mehr als die Hälfte unserer Mitarbeiter mit reduzierter Arbeitszeit tätig sind.
  • dass eine interdisziplinäre Task Force, unterstützt von 10 000 Mitarbeitern in aller Welt, an sieben Tagen rund um die Uhr die Lieferfähigkeit von Bosch soweit wie möglich aufrechterhält. In normalen Zeiten ist die Belieferung mit täglich mehr als 300 Millionen Teilen für uns kein Problem. Jetzt aber ist die ständige Analyse von Nachfrage- und Lieferengpässen, von knappen Fertigungs- und Frachtkapazitäten entscheidend.
  • dass wir einen synchronisierten Neustart unserer Lieferketten planen. In China ist uns dieser „Ramp-up“ bereits gelungen, in Europa streben wir ihn für den nächsten Monat an. Darauf bereiten wir uns vor, mit Checklisten für verschiedene Szenarien. Entscheidend sind zwei Dinge: erstens das Vertrauen unserer Mitarbeiter in den Schutz ihrer Gesundheit, zweitens ein koordiniertes Vorgehen mit Behörden, Kunden und Lieferanten, um ein reibungsloses Hochfahren zu ermöglichen.

Natürlich hat in Zeiten von Corona unser aller Gesundheit höchste Priorität. Wir bedanken uns zuerst bei den Ärzten, Krankenpflegern und Forschern, die unmittelbar gegen das Virus kämpfen. Unser Dank gilt auch unseren Mitarbeitern und unseren Geschäftspartnern – für das Zusammenstehen, mit dem wir uns der Krise stellen.

Eine gute Nachricht ist auch der breite Einsatz digitaler Technologien – nicht nur, weil sie diese Pressekonferenz überhaupt erst ermöglichen. Tatsächlich hat sich bei Bosch auch in täglichen Skype-Konferenzen die Teilnehmerzahl mit der Pandemie in der Spitze nahezu verdreifacht, und zeitweise waren mehr als 100 000 Mitarbeiter im Home Office tätig. Das Internet ist nicht für den Infektionsschutz erfunden worden, aber es hilft, den Betrieb auch im „social distancing“ aufrechtzuhalten.

Während wir in Zeiten von Corona also unmittelbar erfahren können, was Digitalisierung wert ist, dürfen wir uns über die Wachstums- und Einkommensverluste nicht hinwegtäuschen – Verluste, die wirtschaftliche Existenzen in Frage stellen, je länger der „shutdown“ dauert. Zugleich berühren sie das soziale und politische Leben, wie wir es kennen. Hier müssen wir mögliche Nebenfolgen genau beobachten und bei Bedarf entschieden gegensteuern. Drei Punkte sind mir wichtig:

  • Erstens könnte mit der Pandemie ein nachhaltiger Rückschlag für die Globalisierung bevorstehen. Was wir in vielen Ländern registrieren, ist eine reflexartig verkürzte Debatte – als wäre die heutige Intensität der weltwirtschaftlichen Verflechtung die eigentliche Ursache der Pandemie. Tatsächlich konnten sich schon im Mittelalter, als es nur die Seidenstraße, aber noch keinen Flugverkehr gab, Infektionswellen über die Kontinente verbreiten. Differenzierung tut not: Zwar werden wir kritische Abhängigkeiten in der Zuliefererkette überdenken müssen. Aber eine generelle Politik der Abschottung, wie sie manche Populisten wünschen, kann nicht die Lösung sein. Noch größere Wohlstandsverluste, als sie uns mit der Pandemie ohnehin drohen, wären die Folge. Allein 2019 haben Strafzölle, wie sie mit den Handelskonflikten in aller Welt aufgekommen sind, Bosch nahezu 100 Millionen Euro gekostet. Wer hinter die Globalisierung zurück will, stellt die Existenz und das Selbstverständnis von Unternehmen wie Bosch in Frage – unsere Mitarbeiter stammen aus 150 Ländern, auch angesichts Corona verstehen wir uns als „Vereinte Nationen“.
  • Zweitens müssen wir sensibel bleiben für das Verhältnis von Staat und Wirtschaft, das sich zuletzt so einschneidend verändert hat: Ausgangsbeschränkungen, Laden- und Werkschließungen, aber auch milliardenschwere Rettungspakete. Jede Kritik daran verbietet sich im Ernst der Lage. Die Rückkehr in den Normalzustand zu gegebener Zeit ist aber zwingend. Auch hier dürfen wir die populistische Versuchung in manchen Ländern nicht unterschätzen, die sich den demokratischen Staat stärker und autoritärer wünscht. Vom derzeitigen Ausnahmezustand darf kein Stück Überregulierung und schon gar nicht Unfreiheit zurückbleiben.
  • Wie aber die Rückkehr vom Ausnahme- in den Normalzustand gestalten? Das ist mein dritter Punkt, aktuell wohl die Frage aller Fragen. Die Politik muss hier mit sehr viel Augenmaß die richtigen Entscheidungen treffen. Nach allem, was wir heute wissen, kann der Ausstieg aus dem „shutdown“ nur schrittweise erfolgen – je nach Rückgang oder erneutem Anstieg der Infektionszahlen wird man nachsteuern müssen. Und jeder Schritt erfordert eine sehr anspruchsvolle Abwägung: menschliches

Leben zu schützen einerseits, den wirtschaftlichen und sozialen Schaden zu begrenzen andererseits. Keiner sollte glauben, das sei bloß eine Abwägung von Leben gegen Geld. Wenn eine anhaltende Rezession allzu viele Existenzen bedroht, dann droht auch gesellschaftlicher Unfrieden, der wiederum Wasser auf die Mühlen radikaler Kräfte wäre.

Der Kampf gegen das Virus: Was Bosch technologisch leisten kann

Immerhin, während die Politik tut, wofür die Politik verantwortlich ist, muss Bosch tun, was Bosch kann. Und das heißt in diesen Tagen vor allem: technische Lösungen im Kampf gegen das Virus entwickeln und produzieren. Dazu einige wesentliche Punkte:

  • Wo immer möglich wollen wir unser Know-how zur Eindämmung der Pandemie einbringen, etwa für die kurzfristige Entwicklung von medizinischen Hilfsmitteln. Dazu arbeiten wir mit anderen Unternehmen zusammen, bewerten aber auch die Ideen unserer Mitarbeiter auf Machbarkeit. Die Kriterien sind klar, vor allem der konkrete Bedarf und die Einhaltung geltender Zulassungsverfahren.
  • Kurzfristig haben wir die Fertigung von Mund- und Nasenmasken aufgenommen. Schon jetzt stellen 13 Bosch-Werke in neun Ländern, von Bari in Italien über Bursa in der Türkei bis hin zu Anderson in den USA, in Eigeninitiative solche Masken für ihren lokalen Bedarf her. Zudem hat unser Sondermaschinenbau binnen weniger Wochen eine neue Anlage konzipiert. Auf dieser Basis bauen wir derzeit zwei vollautomatische Fertigungslinien am Standort Stuttgart-Feuerbach auf – weitere Linien folgen in Erbach im Odenwald sowie in Indien und Mexiko. Insgesamt werden wir damit täglich mehr als eine halbe Million Stück fertigen können. Die Masken sollen zunächst dem Schutz unserer Mitarbeiter an den Standorten in aller Welt dienen – wir werden sie nach Möglichkeit auch darüber hinaus verfügbar machen. In jedem Fall müssen wir mit der Eigenproduktion keine Masken am Markt einkaufen.
  • Überdies produzieren wir Handdesinfektionsmittel für den eigenen Bedarf – zum Beispiel rund 1 000 Liter pro Woche am Standort Anderson in South Carolina, nahezu 4 000 Liter wöchentlich auf unserem Forschungs-campus in Renningen. Damit versorgen wir etwa die Mitarbeiter in unseren amerikanischen und europäischen Werken.
  • Schließlich sind wir jetzt mit unserem Covid19-Schnelltest auf dem Markt, der vollautomatisch bereits nach zweieinhalb Stunden ein Ergebnis liefert, direkt in der Praxis. Zeit ist hier Gesundheit. Wir wollen mit unserem Analysegerät Vivalytic die Großlabore nicht ersetzen, wohl aber ergänzen – und das an besonders dringlichen Punkten. So kommt der Schnelltest nicht nur dem Personal des Robert-Bosch-Krankenhauses in Stuttgart und den Mitarbeitern in ersten Bosch-Werken zugute, er unterstützt auch Firmen in der Impfstoff-Entwicklung. Die Nachfrage ist groß, wir werden unsere Fertigungskapazität gegenüber dem Plan bis Ende des Jahres verfünffachen. So wollen wir 2020 mehr als eine Million Schnelltests produzieren, im nächsten Jahr sollen es drei Millionen sein. Wir tun alles, um die Fertigung zu steigern – zusätzliche Mitarbeiter kommen nicht zuletzt aus den Automotive-Standorten, auch das ist Wandel bei Bosch. Ausgeliefert wird der Schnelltest bereits in Europa, er kann im Status „research use only“ nach einer Validierung eingesetzt werden. Eine europaweite CE-Kennzeichnung erwarten wir bis Ende Mai. Und ein beschleunigter Schnelltest, der in weniger als 45 Minuten ein verlässliches Ergebnis liefert, steht kurz vor Abschluss der Entwicklung. Was wir hier schaffen, folgt in besonderer Weise unserem Leitmotiv „Technik fürs Leben“.

Wenn wir diesem Leitmotiv weiter folgen, muss uns nicht zuletzt ein Thema beschäftigen, das schon in normalen Zeiten schwer genug zu bewältigen ist: Es ist der Klimawandel. Ihn abzubremsen – das ist nicht nur für die Menschen heute, das ist für die ganze Menschheit morgen und übermorgen überlebenswichtig. Wir müssen gegen das Virus kämpfen, aber dieser Kampf hält die Erwärmung der Erdatmosphäre nicht auf. Aus voller Überzeugung halten wir deshalb am Klimaschutz als zentralem Thema auch für diese Pressekonferenz fest.

Meine Damen und Herren, jenseits von Corona ist der Klimawandel auch in diesem Jahr das bestimmende Thema. Es ist gut, dass die Politik mit Klimaschutz ernst macht – ernst ist aber zugleich der Strukturwandel in vielen Branchen. Das trifft auch Bosch, umso klarer möchte ich sagen: Klimaschutz kostet, aber Nichtstun wird teurer. Die Haltung eines Unternehmens kann nicht Resignation, sie muss Innovation sein.

Selbst jetzt bleibt uns also nichts Anderes übrig, als kurz- und langfristig zugleich zu denken. Vor allem auf zwei Fragen wollen wir auf dieser Bilanzpressekonferenz Antworten geben:

  • Erstens: Was können wir technologisch tun, gegen den Klimawandel, aber auch im Strukturwandel unserer Branchen? Wir gehen die CO2-Neutralstellung unserer Wertschöpfungsketten an, wir elektrifizieren unser Produktportfolio, zum Beispiel in der Antriebs- und Thermotechnik. Dabei plädieren wir nicht zuletzt für einen mutigen Einstieg in die Wasserstoff-Wirtschaft.
  • Zweitens: Wie steuern wir durch die Krise? Schon im vergangenen Jahr war die Konjunktur abgekühlt. Das führte zu einem Ergebnis-Rückgang, während der Umsatz noch stabil blieb. In diesem Jahr zeichnet sich eine Rezession ab, wir müssen ihre Folgen für Bosch in Grenzen halten. Darauf wird zunächst Stefan Asenkerschbaumer näher eingehen …

Die Geschäftslage der Bosch-Gruppe: Enorme Herausforderungen 2020

Meine Damen und Herren, ich möchte mich heute vor allem auf die aktuelle Entwicklung konzentrieren und zum Schluss nur kurz auf die Geschäftszahlen 2019 eingehen. Volkmar Denner hat es schon gesagt: Wir befinden uns in einer Ausnahmesituation.

Die Herausforderungen sind enorm. Dies spiegeln auch die Zahlen für das erste Quartal wider. Sie zeigen bereits Auswirkungen der Corona-Pandemie.

  • Der Umsatz ging in der Bosch-Gruppe um 7,3 Prozent gegenüber der vergleichbaren Vorjahreszahl zurück, allein im Monat März um 17 Prozent
  • Ein ähnliches Bild sehen wir im Unternehmensbereich Mobility Solutions mit einem Minus in den ersten drei Monaten von 7,7 Prozent und im März von 19 Prozent. Bei Industrial Technology ist dagegen für den Umsatzrückgang von 18,5 Prozent bis März die bereits im Jahresverlauf 2019 stark abgekühlte Maschinenbaukonjunktur die Hauptursache. Im Unternehmensbereich Consumer Goods liegt der Umsatz des ersten Quartals um 2,7 Prozent unter Vorjahr und bei Energy and Building Technology um 4,8 Prozent.
  • Regional gesehen brach der Umsatz in Asien-Pazifik (inkl. Afrika) um 15 Prozent ein. Der Rückgang in Europa betrug 4,7 Prozent und in Nordamerika 6 Prozent. Das hohe Minus in Südamerika von 10 Prozent resultiert aus Wechselkurseffekten.

Auch wenn in China die Produktion wieder hochgelaufen ist und sich die Industrie in Europa auf den Wiederanlauf vorbereitet, müssen wir uns für das Gesamtjahr 2020 auf eine tiefe weltweite Rezession einstellen. Das tatsächliche Ausmaß des Rückgangs der Wirtschaftsleistung lässt sich erst ansatzweise abschätzen. Wir gehen jedoch davon aus, dass der Rückgang deutlich stärker ausfallen wird als in der Rezession 2009 mit rund 1,5 Prozent. Bei der Automobilproduktion rechnen wir aktuell für 2020 auf Basis der bislang bekannten Effekte mit einem Minus von mindestens 20 Prozent.

Bezogen auf unser Geschäft erwarten wir, dass die Umsatzeinbußen in den Unternehmensbereichen Mobility Solutions und Consumer Goods besonders stark ausfallen werden. Aber auch in den anderen Bereichen stellen wir uns auf signifikante Rückgänge ein. Angesichts der erheblichen Unsicherheiten können wir für die Bosch-Gruppe keine qualifizierte Prognose zum Gesamtjahr machen. Es bedarf größter Anstrengungen, um zumindest ein ausgeglichenes Ergebnis zu erreichen. Von Vorteil für uns ist in dieser tiefen Krise erneut unsere breite Aufstellung mit unterschiedlichen Unternehmensbereichen.

Deshalb sind für uns unsere vielfältigen Aktivitäten zur Kostenreduzierung und Liquiditätssicherung von zentraler Bedeutung. Dazu gehören unter anderem die derzeit laufenden Arbeitszeitverkürzungen an vielen europäischen Standorten – mit damit verbundenen Einkommenseinbußen der Beschäftigten. Auch die Führungskräfte bringen an den betroffenen Standorten einen Beitrag durch insgesamt bis zu acht Tage unbezahlten Urlaubs im April und Mai, im Schnitt 20 Prozent des Einkommens in den beiden Monaten. Für den obersten Führungskreis weltweit und die Geschäftsführung gilt dies unabhängig von Standortmaßnahmen.

Alle Geschäftsbereiche sind gefordert, bei den Investitionen mit größter Zurückhaltung zu agieren. Dennoch treiben wir Zukunftsinvestitionen wie zum Beispiel den Bau der Halbleiterfabrik in Dresden weiterhin voran. Wir prüfen jedoch auch hier im Einzelfall, ob wir gegebenenfalls Ausgaben strecken können. Gerade bei Mobility Solutions mit seinen engen Lieferketten beobachten wir sehr intensiv die finanzielle Situation unserer Lieferanten. Aber nicht nur dieses: Bislang ist es unseren Logistikern und Einkäufern gemeinsam mit unseren Lieferanten und Kunden gelungen, die Belieferung sicherzustellen. Damit haben wir auch eine gute Basis, um die Produktion wieder hochzufahren.

Gerade in solch unsicheren Zeiten kommt uns unsere sehr solide Finanzstruktur mit einer traditionell hohen Eigenkapitalquote von 46 Prozent Ende 2019 und einer bilanziellen Liquidität von 19 Milliarden Euro zugute. Darüber hinaus haben wir vor wenigen Tagen eine zusätzliche Kreditlinie von 3 Milliarden Euro vereinbart. Ähnlich wie in der Finanzkrise 2008/09 dient diese Maßnahme der Vorsorge.

Wir hatten im Übrigen schon in unseren Planungen mit einem herausfordernden Geschäftsjahr 2020 gerechnet. Dabei waren wir von einer weiteren Abkühlung der weltweiten Konjunktur und insbesondere einem weiteren Rückgang der Automobilproduktion sowie des Dieselanteils bei Personenwagen ausgegangen. Auf dieser Basis waren wir für 2020 von einem Umsatz leicht unter dem Niveau von 2019 und einer operativen Rendite von 3,5 Prozent ausgegangen. Bosch befindet sich wie auch die Automobilbranche insgesamt in einer Phase des Aufbruchs und des Umbruchs. Wir treiben einerseits mit erheblichen Vorleistungen Zukunftsfelder voran. Dazu gehören die Elektromobilität einschließlich Brennstoffzelle, das automatisierte Fahren, die künftige Elektronikarchitektur im Fahrzeug, das Internet der Dinge, Anwendungen von Methoden der Künstlichen Intelligenz, die vernetzte Fabrik der Zukunft und auch die Elektrifizierung in der Heiztechnik. Gleichzeitig sind erhebliche Anpassungen gerade im Bereich Mobility Solutions erforderlich. Vorleistungen und Anpassungen belasten das Ergebnis zusätzlich.

Dies zeigen auch die Geschäftszahlen 2019. In den schriftlichen Unterlagen finden Sie dazu detaillierte Informationen. Aufgrund einer Reihe erfolgreicher Produkte lag der Umsatz der Bosch-Gruppe mit 77,7 Milliarden Euro nahezu auf Vorjahresniveau – trotz einer bereits schwachen weltweiten Konjunktur und eines Rückgangs der Automobilproduktion von 5,5 Prozent. Wir konnten gerade auch bei Mobility Solutions Marktanteile gewinnen. Die operative

EBIT-Rendite der Bosch-Gruppe blieb jedoch mit 4,2 Prozent deutlich unter dem Niveau des Vorjahres von 7 Prozent. Ohne positive Sondereffekte insbesondere durch den Verkauf der Aktivitäten bei Verpackungsmaschinen ergibt sich eine Rendite von 3,5 Prozent.

Wir haben deshalb schon zum Jahresanfang 2020 ein umfassendes Programm zur Verbesserung der Kostenstrukturen und zur Absicherung unserer Liquidität aufgelegt. Es betrifft alle Bereiche und Funktionen weltweit. Die Maßnahmen sind dabei auf die jeweils unterschiedlichen Anforderungen ausgerichtet. Unser Ziel ist die mittelfristige Rückkehr zu einer operativen Rendite von rund 7 Prozent, ohne die wesentlichen Zukunftsaufgaben zu vernachlässigen. Daran arbeiten wir, neben der Bewältigung der Corona-Pandemie, mit allem Nachdruck. Denn damit schaffen wir das finanzielle Fundament, um die großen und vielfältigen Zukunftschancen der Bosch-Gruppe zu nutzen. Damit gebe ich zurück an Volkmar Denner.

Klimaschutz bleibt lebenswichtig:
Die Chance liegt in einer Technologie-Offensive

… Vielen Dank, Stefan! Wie kann Bosch trotz Corona und des Strukturwandels in der Automobilindustrie wieder wachsen, wie den fundamentalen Wandel in der Welt und nicht zuletzt in der Umwelt unternehmerisch angehen – dazu möchte ich nunmehr einige strategische Gesichtspunkte vorstellen, am Beispiel des Klimaschutzes, der nach wie vor größten Herausforderung für alle Menschen. Eine Herausforderung, auf die wir nach unserem Selbstverständnis offensiv antworten, also nicht mit weniger, sondern mit mehr und vor allem mit neuer und intelligenter Technik.

Aus unserer Sicht sollte sich auch die Klimaschutz-Politik nicht bloß defensiv oder gar restriktiv verstehen, etwa als Verzichts- und Verbotspolitik, die den Erfindergeist unserer Ingenieure beschränkt. Wir wollen Technologie-Offenheit – und in der Konsequenz eine Technologie-Offensive. Offenheit heißt vor allem: Es gibt mehr als einen Weg zur nachhaltigen Mobilität, über die Batterie, aber auch über eFuels und Brennstoffzelle. Und technologische Offensive bedeutet: Die Energiewende muss endlich von einer Brennstoffwende begleitet werden. Denn nicht jede Anwendung lässt sich elektrifizieren, wir benötigen auch CO2-neutrale Flüssig-Kraftstoffe. Notwendig ist ein mutiger Einstieg in die Wasserstoff-Wirtschaft – und dieser Einstieg muss jetzt erfolgen, sonst wird Europa 2050 nicht klimaneutral werden.

Es ist gut, dass sich die Diskussion belebt, gut auch, dass Deutschland Wasserstoff-Anwendungen in Reallaboren testen will. Aber diese Anwendungen müssen zügig in der Realität der Wirtschaft ankommen, denn der Klimawandel findet nicht im Labor statt, er ist längst Realität. Inzwischen gibt es auch eine deutsche Wasserstoff-Strategie. Darin sind Ziele definiert, die allerdings noch weit hinter dem technisch Machbaren und klimapolitisch Notwendigen zurückbleiben. Als Debatten-Element hat Wasserstoff Konjunktur, aber es wird Zeit, ihn vielseitig zu industrialisieren.

Was ist politisch zu tun? Drei Punkte sind fundamental:

  • Erstens die Produktion von Wasserstoff fördern, zum Beispiel mit der Entlastung oder gar Befreiung von Energiesteuern.
  • Zweitens die Forschung fördern, um Technologien für die Verarbeitung von Wasserstoff schneller als bisher zu industrialisieren.
  • Drittens Infrastruktur und Logistik aufbauen, bis hin zur flächendeckenden Verbreitung von Wasserstoff-Tankstellen.

Das, meine Damen und Herren, wäre eine Klimaschutz-Politik, die sich zugleich als Wachstumspolitik versteht – eine Politik, die der Umwelt nützt, ohne den Wohlstand außer Acht zu lassen. Dass der Einstieg in die Wasserstoff-Wirtschaft gelingt, ist wichtig nicht zuletzt für die Zukunft unseres Unternehmens. Auch Bosch wird „H2-ready“ – das können wir bereits mit einer Reihe von Beispielen zeigen:

  • Für den Einsatz in Fahrzeugen, vor allem im Lkw, bereiten wir die Produktion eines Bosch-Stacks vor. Die Markteinführung ist für 2022 geplant, schon 2030 könnte jedes achte neuzugelassene schwere Nutzfahrzeug mit Brennstoffzelle unterwegs sein.
  • Auch die stationäre Brennstoffzelle kommt zunächst im gewerblichen Bereich zum Einsatz, etwa bei der Stromversorgung von Rechenzentren und Industrieanlagen. Mit Felderprobungen haben wir in Deutschland 2019 begonnen, in diesem Jahr stellen wir Pilotanlagen in Großbritannien, China sowie in den USA auf. 2030 sehen wir ein Marktvolumen für Brennstoffzellen-Kraftwerke von mehr als 20 Milliarden Euro voraus.
  • Schließlich bereiten wir uns in der Wärme-Erzeugung auf Wasserstoff vor. Denn wir erwarten auch im Erdgasnetz, an das Millionen von Gebäude angeschlossen sind, langfristig einen höheren H2-Anteil. Es geht also auch darum, Gasthermen zukunftssicher zu machen. Schon jetzt bieten wir zum Beispiel einen Industriekessel, der zu 100 Prozent „hydrogen ready“ ist.

Alle Standorte werden CO2-neutral: Eine Ankündigung wird Realität

So sehr wir die technische Entwicklung forcieren – der Klimaschutz findet zunächst im eigenen Unternehmen statt. Damit komme ich zurück auf das Versprechen, das wir vor einem Jahr auf dieser Bilanzpressekonferenz gegeben haben: Bosch weltweit schon bis Ende 2020 mit allen Standorten klimaneutral zu stellen. Diese Ankündigung werden wir einlösen – als erstes globales Industrieunternehmen. Dafür bewegen wir vier Hebel: erstens Energieeffizienz steigern, zweitens Versorgung mit regenerativen Energien ausbauen, drittens Ökostrom-Zukauf erweitern, viertens unvermeidbaren CO2-Ausstoß kompensieren. Die ersten beiden Hebel steigern bis 2030 die Qualität unserer CO2-Neutralstellung, die letzten beiden wirken vor allem kurzfristig. Wobei der Anteil der CO2-Kompensationen 2020 deutlich niedriger sein wird als geplant – nur 25 statt nahezu 50 Prozent. Wir kommen damit bei der Steigerung der Qualität unserer Maßnahmen schneller voran als erwartet. Und wir sind zuversichtlich, unseren ökologisch richtigen Weg auch ökonomisch durchhalten zu können – zumal die Anstrengungen zur Energieeffizienz auch Kosteneffizienz mit sich bringen.

Übers eigene Unternehmen hinaus: Wir multiplizieren den Klimaschutz

Doch der Klimaschutz ist viel zu wichtig, als dass wir dabei stehen blieben: Er geht alle Menschen an, so wollen wir unsere eigenen Anstrengungen in die Wirtschaft hinein multiplizieren. Dafür schlagen wir zwei neue Wege ein:

  • Erstens geben wir unsere Erfahrungen an andere Unternehmen weiter. 400 Standorte rund um den Globus CO2-neutral zu stellen – dafür verfolgen wir den Energieverbrauch an fünf Millionen Messpunkten, daran haben allein im vergangenen Jahr nahezu 1 000 Experten in mehr als 1 000 Energieeffizienz-Projekten gearbeitet. Ihr Know-how bringen wir in ein neuartiges Beratungsgeschäft ein. Dazu haben wir eine Gesellschaft gegründet: Bosch Climate Solutions. Das Interesse ist groß, Pilotkunden sind gewonnen: die Technikunternehmen Freudenberg und Prettl. Das CO2-Consulting richtet sich vor allem an Firmen im produzierenden Gewerbe. Ihnen bieten wir binnen drei Monaten ein detailliertes CO2-Reduktionskonzept. Bosch nutzt hier seine Expertise, um auch anderen Unternehmen bei ihrem Weg zur CO2-Neutralität zu helfen.
  • Zweitens erweitern wir unsere Klimaschutz-Anstrengungen in den Scope 3, wie er von Experten genannt wird. Konkret gehen wir die CO2-Reduktion entlang der Wertschöpfungskette an, von den beschafften Gütern bis zu den verkauften Produkten. Gelingen wird uns das nur, wenn auch Kunden und Lieferanten mitziehen. Doch gerade in der gemeinsamen Anstrengung können wir für den Klimaschutz einen Multiplikator-Effekt erzeugen. Denn der CO2-Fußabdruck aller unserer vor- und nachgelagerten Aktivitäten ist rund 100mal so hoch wie die bisherigen Emissionen unserer eigenen Standorte: insgesamt 340 Millionen Tonnen jährlich. Wir haben diesen Wert durch den TÜV Rheinland prüfen lassen und wollen ihn bis 2030 um 15 Prozent reduzieren. Ein Ziel, das wir uns nicht allein gesteckt haben, vielmehr haben wir es mit der Science-Based-Targets-Initiative vereinbart, der wir als erster Automobilzulieferer mit einem konkreten Ziel beigetreten sind.

Im Auto und im Haus: Elektrische Lösungen ergänzen den Verbrenner

Zugegeben ist der vollständig klimaneutrale Einsatz unserer Produkte noch eine große Herausforderung. Man denke nur an unsere Einspritzsysteme für Verbrennungsmotoren. Wie sehr stehen diese Systeme im Widerspruch zum Ziel der Klimaneutralität? Tatsächlich ist besonders der Diesel sparsam und CO2-effizient. Aber in Zukunft geht es um mehr – um alternative Antriebe, aber auch darum, den Verbrenner selbst CO2-neutral zu machen. Gelingen kann uns das mit synthetischen Kraftstoffen. Eben deshalb wäre es ein zielführender Ansatz, solche eFuels endlich auf den Flottenverbrauch anzurechnen, anstatt in der Krise die CO2-Regulierung für die reinen Fahrzeugemissionen weiter zu verschärfen. Grundsätzlich beschleunigt der Klimaschutz den Strukturwandel in allen unseren Branchen. Nicht nur in der Antriebstechnik, auch in der Thermotechnik verstärkt sich der Trend zur Elektrifizierung. Hier wie dort werden elektrische Lösungen im Zeichen des Klimaschutzes die bisher dominierenden Verbrenner ergänzen.

  • Im Auto werden die Zwanziger Jahre den Hochlauf der Elektromobilität bringen. Schon jetzt ist Bosch in einer Pole Position. Wir registrieren einen anhaltend starken Auftragseingang. Das kommt auch deutschen Standorten zugute. In den Werken Eisenach und Hildesheim investieren wir in diesem Jahr rund 100 Millionen Euro in die Produktion elektrischer Antriebssysteme.
  • Auch im Heizungskeller sehen wir eine Dekade der Elektrifizierung voraus, vor allem über die Verbreitung der Wärmepumpe. Deren Marktvolumen wächst in Europa jährlich um mehr als 10 Prozent – schon 2025 wird es fast so groß sein wie der Gasthermen-Markt. Bosch investiert zusätzlich 100 Millionen Euro ins Wärmepumpen-Geschäft. Das Ziel: Entwicklung und Marktanteile verdoppeln.

In den Ernstfällen unternehmerischer Verantwortung:
Wir müssen zeigen, was das Wort wert ist

An dieser Stelle, meine Damen und Herren, hätte ich gern noch mehr zur Vernetzung unseres vielseitigen Branchenwissens gesagt – sei es zur digitalen Steuerung der Energieströme zwischen Haus und Auto, sei es zum Themenfeld Software, Internet der Dinge und Künstliche Intelligenz. Aber wir steuern durch eine tiefe und einzigartige Krise – für unsere Gesellschaft, für die Wirtschaft, für unser Unternehmen, für alle Menschen. So habe ich meine strategischen Aussagen in Zeiten der Pandemie auf das nicht minder überlebenswichtige Thema Klimaschutz beschränkt. Schließen möchte ich mit einigen Anmerkungen zur unternehmerischen Verantwortung in der aktuellen Situation.

Schon der Strukturwandel in unseren Branchen, wie er vor Corona begonnen hat, fordert Verantwortung in besonderer Weise heraus. Wir müssen die betroffenen Geschäftsbereiche umbauen, alles andere wäre wirtschaftlich unverantwortlich. Aber wir wollen diesen Umbau sozial auffangen, zumindest aber abfedern. Das bleibt, über die unabsehbaren Konsequenzen der Corona-Krise hinaus, die Verantwortung gegenüber unseren Mitarbeitern. Überdies aber müssen wir den Kampf gegen den Klimawandel verantwortlich führen. Es ist für das Erreichen der Klimaziele nicht zu spät – aber nur dann, wenn große Unternehmen wie Bosch ihre großen Hebel bewegen. Sie müssen zeigen, wie das große ökologische Anliegen ökonomisch zu verkraften ist. Bosch macht mit Klimaschutz ernst, nicht nur in der Produktion, Zug um Zug auch mit Produkten und Dienstleistungen. Das kostet, schafft aber auch neues Geschäft.

Schon das zeigt: Die Balance im Dreieck wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und ökologischer Interessen ist schwierig, aber möglich. Angesichts der rezessiven Folgen der Corona-Pandemie kann ich nur hinzufügen: Der Ausgleich wird noch schwerer, aber auch noch dringlicher. Die akute Krise ist ein Ernstfall für alle, die unternehmerisch Verantwortung tragen. Dabei tut es gut zu erfahren, wie verantwortlich unsere Mitarbeiter durch diese Ausnahmezeit gehen:

  • dass sie belastende Maßnahmen wie Kurzarbeit, Einkommensverzicht oder gar vorübergehende Standortschließungen verstehen und mittragen,
  • dass sie trotz aller Einschränkungen ihre jeweiligen Betriebe und unsere Lieferketten intakt halten.

Das war und ist harte Arbeit, um die Existenz und die Beschäftigung in unserem Unternehmen zu sichern. Es wird ein Leben und Arbeiten nach Corona geben. Die Erfahrung des „We are Bosch“ in der Krise wird uns dabei helfen.

Über Bosch

Die Bosch-Gruppe ist ein international führendes Technologie- und Dienstleistungsunternehmen mit weltweit rund 428 000 Mitarbeitenden (Stand: 31.12.2023). Sie erwirtschaftete im Geschäftsjahr 2023 nach vorläufigen Zahlen einen Umsatz von 91,6 Milliarden Euro. Die Aktivitäten gliedern sich in die vier Unternehmensbereiche Mobility, Industrial Technology, Consumer Goods sowie Energy and Building Technology. Als führender Anbieter im Internet der Dinge (IoT) bietet Bosch innovative Lösungen für Smart Home, Industrie 4.0 und Connected Mobility. Bosch verfolgt die Vision einer nachhaltigen, sicheren und begeisternden Mobilität. Mit seiner Kompetenz in Sensorik, Software und Services sowie der eigenen IoT-Cloud ist das Unternehmen in der Lage, seinen Kunden vernetzte und domänenübergreifende Lösungen aus einer Hand anzubieten. Strategisches Ziel der Bosch-Gruppe sind Lösungen und Produkte für das vernetzte Leben, die entweder über künstliche Intelligenz (KI) verfügen oder mit ihrer Hilfe entwickelt oder hergestellt werden. Mit innovativen und begeisternden Produkten sowie Dienstleistungen verbessert Bosch weltweit die Lebensqualität der Menschen. Bosch bietet „Technik fürs Leben“. Die Bosch-Gruppe umfasst die Robert Bosch GmbH sowie ihre rund 470 Tochter- und Regionalgesellschaften in mehr als 60 Ländern. Inklusive Handels- und Dienstleistungspartnern erstreckt sich der weltweite Fertigungs-, Entwicklungs- und Vertriebsverbund von Bosch über fast alle Länder der Welt. Basis für künftiges Wachstum ist die Innovationskraft des Unternehmens. Bosch beschäftigt weltweit rund 90 000 Mitarbeitende in Forschung und Entwicklung an 136 Standorten, davon etwa 48 000 Software-Entwicklerinnen und -Entwickler.

Das Unternehmen wurde 1886 als „Werkstätte für Feinmechanik und Elektrotechnik“ von Robert Bosch (1861–1942) in Stuttgart gegründet. Die gesellschaftsrechtliche Struktur der Robert Bosch GmbH sichert die unternehmerische Selbstständigkeit der Bosch-Gruppe. Sie ermöglicht dem Unternehmen langfristig zu planen und in bedeutende Vorleistungen für die Zukunft zu investieren. Die Kapitalanteile der Robert Bosch GmbH liegen zu 94 Prozent bei der gemeinnützigen Robert Bosch Stiftung GmbH. Die übrigen Anteile halten eine Gesellschaft der Familie Bosch und die Robert Bosch GmbH. Die Stimmrechte liegen mehrheitlich bei der Robert Bosch Industrietreuhand KG; sie übt die unternehmerische Gesellschafterfunktion aus.

Mehr Informationen unter www.bosch.com, www.iot.bosch.com, www.bosch-presse.de.

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