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Pressemeldung #Wirtschaft
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5 Fragen an Siegfried Dais zu 10 Jahren Industrie 4.0

Herr Dais, Sie zählen zu den Gründungsvätern von Industrie 4.0. Wie entstand die Initiative Industrie 4.0?

Die Kombination zweier Fähigkeiten, nämlich Daten in Lichtgeschwindigkeit zu übertragen und aus großen Datenmengen wertvolle Informationen zu gewinnen, ermöglichte neue, disruptive Geschäftsmodelle wie Online-Handel und Social Media und brachte äußerst erfolgreiche Unternehmen hervor. Die Überzeugung, dass auch in der Industrie diese Fähigkeiten zu einer neuen Stufe der Leistungsfähigkeit führen werden, war die treibende Kraft hinter dem Projekt Industrie 4.0. Das Internet veränderte damals die Welt in einem Umfang und in einer Geschwindigkeit wie wenige technische Entwicklungen zuvor. Informationen waren schon vor zehn Jahren weltweit für jedermann mit Lichtgeschwindigkeit verfügbar und jederzeit abrufbar. Nach Vernetzung von Dokumenten, von ganzen Unternehmen und der Menschen miteinander war in den 2010er Jahren die Leistungsfähigkeit von Rechnern so weit angewachsen, dass auch eine Vernetzung Cyber-Physikalischer Systeme greifbar wurde: Maschinen, die miteinander kommunizieren. „Industrie 4.0“ kursierte schnell als Buzzword.

Warum sprechen wir eigentlich von der vierten Industriellen Revolution?

Das hat mit dem revolutionären Charakter der Auswirkungen von IoT auf die Industrie zu tun, auch wenn eine solche Titulierung immer etwas problematisch ist. Normalerweise zeigt ja erst der Rückblick, wie revolutionär etwas war. Wir wussten aber damals schon, dass auf der technischen Plattform des Internets neue, meist äußerst erfolgreiche Unternehmen entstehen. Sie alle verließen traditionelle Formen des Geschäfts und haben völlig neue Geschäftsmodelle im Bereich des Handels und der sozialen Medien realisiert. Es gab kein Argument, warum in der anbrechenden Welt des Internets der Dinge nicht eine vergleichbare Entwicklung ablaufen sollte, mit neuen Spielern, deren Erfolg darauf gründet, bisherige Paradigmen ad absurdum zu führen. Außerdem sahen wir die „Wucht“ des Internets: Waren 1995 noch 40 Millionen Menschen vernetzt, waren es 2005 schon 975 Millionen. Wir rechneten für 2015 mit fünf Milliarden vernetzten Menschen, und in dieser dynamischen Entwicklung durch immer leistungsfähigere Rechner und Netze war auch die Vernetzung der Maschinen eine logische Folge. Das ist ein Paradigmenwechsel, der gegenüber den drei industriellen Revolutionen nicht zurücksteht: dem mechanischen Webstuhl ebenso wenig wie dem ersten Fließband oder der ersten programmierbaren Steuerung für automatisierte Produktion. Aber wir sehen heute, dass selbst Bosch als „Forerunner“ noch am Anfang eines Weges steht, der wohl noch 20 bis 30 Jahre lang dauern wird, bis die enormen Potenziale ausgeschöpft sind.

Was war aus Ihrer Sicht das revolutionäre Potential von Industrie 4.0?

Das revolutionäre Potential haben wir bereits am Anfang unserer Arbeit in einer Vision niedergelegt: Mit Industrie 4.0 wird eine neue Stufe der Organisation und Steuerung der gesamten Wertschöpfungskette erreicht, über den gesamten Lebenszyklus von Produkten. Dieser Zyklus orientiert sich an den zunehmend individualisierten Kundenwünschen und erstreckt sich von der Idee, dem Auftrag, über die Entwicklung und Fertigung, die Auslieferung eines Produkts an den Endkunden bis hin zum Recycling, einschließlich der damit verbundenen Dienstleistungen. Basis ist die Verfügbarkeit aller relevanten Informationen in Echtzeit durch Vernetzung an der Wertschöpfung beteiligter Instanzen sowie die Fähigkeit, aus den Daten den zu jedem Zeitpunkt optimalen Wertschöpfungsfluss abzuleiten. Durch die Verbindung von Menschen, Objekten und Systemen entstehen dynamische und selbst organisierende, unternehmensübergreifende Wertschöpfungsnetzwerke, die sich nach unterschiedlichen Kriterien wie beispielsweise Kosten, Verfügbarkeit und Ressourcenverbrauch optimieren lassen. Dezentrale Selbstorganisation ersetzt zentrale Planung, starre Wertschöpfungsketten werden durch Ad-hoc-Organisation von Wertschöpfungsnetzwerken ersetzt.

Welchen Beitrag hat Bosch zur Entwicklung von Industrie 4.0 geleistet?

Wir haben bei Industrie 4.0 ganz von vorn angefangen, es gab keine Blaupause. Bosch war von Beginn an treibende Kraft. Ab 2011 hatten wir zusammen mit dem Präsidenten von Acatech, Prof. Henning Kagermann, den Vorsitz im Arbeitskreis Industrie 4.0, in dem Vertreter der Industrie, der Wissenschaft, von Verbänden und Gewerkschaften an einem Tisch saßen. Ohne Treiber können Sie ein Thema nicht in großem Maßstab voranbringen und in Wirtschaft wie Politik Akzeptanz dafür gewinnen. Daher ist es so wichtig, dass Bosch weiterhin einer der Vorreiter bei Industrie 4.0 ist und dies mit Know-how bei künstlicher Intelligenz verbindet. Was das dem Unternehmen selbst bringt, ist aus meiner Sicht aus Zahlen gut ablesbar. Und wenn man sich die Zahlen der vergangenen Jahre ansieht, zeigen sich die Erfolge. Bosch hat nach zehn Jahren mit seinem Industrie 4.0-Portfolio mehr als vier Milliarden Euro Umsatz erzielt.

Wie geht es weiter für Bosch bei Industrie 4.0?

Ein entscheidender Erfolgsfaktor ist: Bosch ist nicht nur Anbieter, sondern auch Anwender von Industrie 4.0-Lösungen. Diese Doppelrolle des Unternehmens hat einen wichtigen Effekt: Bosch kann neue Industrie 4.0-Anwendungen und Technologien an weltweiten Fertigungsstandorten des eigenen Unternehmens einführen und wichtige Erfahrungen sammeln. Bosch macht es erfolgreich vor, und den Kunden werden so die Vorteile von Industrie 4.0 überzeugend vermittelt. Bosch-Projekte zeigen, dass sich mit vernetzten Lösungen die Produktivität um bis zu 25 Prozent steigern lässt. Und über solche Effekte freue ich mich als langjähriger Gestalter und Begleiter des Themas natürlich besonders. Sie machen deutlich: Die Initiative, die wir vor einem Jahrzehnt begründet haben, lohnt sich – auch heute.


Dr. Siegfried Dais war bis 2012 Mitglied der Geschäftsführung von Bosch, ab 2007 Stellvertretender Vorsitzender der Geschäftsführung. Ab 2007 bis Ende 2017 war er Kommanditist der Robert Bosch Industrietreuhand KG.
Dais übernahm 2012 den Vorsitz des Arbeitskreises Industrie 4.0, um das „deutsche Zukunftsprojekt“ als Bestandteil der „Hightech-Strategie 2020“ der Bundesregierung weiterzuentwickeln.

Über Bosch

Die Bosch-Gruppe ist ein international führendes Technologie- und Dienstleistungsunternehmen mit weltweit rund 429 000 Mitarbeitenden (Stand: 31.12.2023). Sie erwirtschaftete im Geschäftsjahr 2023 einen Umsatz von 91,6 Milliarden Euro. Die Geschäftsaktivitäten gliedern sich in die vier Unternehmensbereiche Mobility, Industrial Technology, Consumer Goods sowie Energy and Building Technology. Mit seiner Geschäftstätigkeit will das Unternehmen übergreifende Trends wie Automatisierung, Elektrifizierung, Digitalisierung, Vernetzung sowie die Ausrichtung auf Nachhaltigkeit technologisch mitgestalten. Die breite Aufstellung über Branchen und Regionen hinweg stärkt die Innovationskraft und Robustheit von Bosch. Mit seiner ausgewiesenen Kompetenz bei Sensorik, Software und Services ist das Unternehmen in der Lage, Kunden domänenübergreifende Lösungen aus einer Hand anzubieten. Zudem setzt Bosch sein Know-how in den Bereichen Vernetzung und künstliche Intelligenz ein, um intelligente, nutzerfreundliche und nachhaltige Produkte zu entwickeln und zu fertigen. Bosch will mit „Technik fürs Leben“ dazu beitragen, die Lebensqualität der Menschen zu verbessern und natürliche Ressourcen zu schonen. Die Bosch-Gruppe umfasst die Robert Bosch GmbH sowie ihre rund 470 Tochter- und Regionalgesellschaften in mehr als 60 Ländern. Inklusive Handels- und Dienstleistungspartnern erstreckt sich der weltweite Fertigungs-, Entwicklungs- und Vertriebsverbund von Bosch über fast alle Länder der Welt. Basis für künftiges Wachstum ist die Innovationskraft des Unternehmens. Bosch beschäftigt weltweit rund 90 000 Mitarbeitende in Forschung und Entwicklung an 136 Standorten, davon etwa 48 000 Software-Entwicklerinnen und -Entwickler.

Das Unternehmen wurde 1886 als „Werkstätte für Feinmechanik und Elektrotechnik“ von Robert Bosch (1861–1942) in Stuttgart gegründet. Die gesellschaftsrechtliche Struktur der Robert Bosch GmbH sichert die unternehmerische Selbstständigkeit der Bosch-Gruppe. Sie ermöglicht dem Unternehmen langfristig zu planen und in bedeutende Vorleistungen für die Zukunft zu investieren. Die Kapitalanteile der Robert Bosch GmbH liegen zu 94 Prozent bei der gemeinnützigen Robert Bosch Stiftung GmbH. Die übrigen Anteile halten eine Gesellschaft der Familie Bosch und die Robert Bosch GmbH. Die Stimmrechte liegen mehrheitlich bei der Robert Bosch Industrietreuhand KG. Diese hat die durch den Firmengründer Robert Bosch testamentarisch verfügte Aufgabe, für den langfristigen Bestand des Unternehmens und speziell für dessen finanzielle Unabhängigkeit zu sorgen.

Mehr Informationen unter www.bosch.com, www.iot.bosch.com, www.bosch-presse.de.

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