Welche Maßnahmen zur Qualifizierung und Ausbildung von Geflüchteten setzt Bosch konkret um?
Czock: Wir bieten an rund 30 Bosch-Standorten in Deutschland Betriebserkundungen sowie zusätzlich geschaffene Praktikumsplätze mit Schwerpunkt im Bereich Metallbearbeitung an. Kurzpraktika ermöglichen vor allem Einblicke in einen deutschen Betrieb und in Berufe wie Industriemechaniker oder Anlagenführer. Mehrwöchige Praktika dienen der beruflichen Orientierung. Darüber hinaus bietet Bosch in mehrmonatigen Einstiegsqualifizierungen die Möglichkeit zur gezielten Vorbereitung auf eine Ausbildung. 2016 und 2017 haben wir so rund 750 Geflüchtete erreicht. Die Angebote und Anforderungen unterscheiden sich dabei je nach Standort. Wir setzen daher kein zentrales Programm deutschlandweit um, sondern unterstützen unsere jeweiligen Standorte individuell bei der Zusammenarbeit mit lokalen und regionalen Institutionen und Behörden. Insgesamt eine Million Euro an Sondermitteln stehen für diese Aufgaben 2016 und 2017 bereit.
Welche Ziele verfolgt Bosch mit seinen Maßnahmen?
Czock: Wir verfolgen mit unseren Maßnahmen für Geflüchtete zwei Ziele. Zum einen möchten wir ihnen die Möglichkeit bieten, die Gegebenheiten in deutschen Betrieben kennenzulernen und so bei der Zukunftsplanung helfen. Das schließt scheinbar banale Formalitäten wie Arbeitszeiten und die Organisation am Arbeitsplatz ein, aber auch Standards wie Sicherheitsbestimmungen und die Struktur und Dauer einer Ausbildung. Zum anderen wollen wir dabei helfen, Geflüchtete für den deutschen Arbeitsmarkt überhaupt erst zu qualifizieren und den erfolgreichen Abschluss einer Ausbildung zu einem erreichbaren Ziel zu machen. Damit helfen wir den Geflüchteten und allen Betrieben in Deutschland, die sich Fachkräftenachwuchs aus dieser Gruppe erhoffen. Wenn Geflüchtete sich nach den Qualifizierungsmaßnahmen für eine Ausbildung bei Bosch bewerben, durchlaufen sie das gleiche Auswahlverfahren wie alle anderen Bewerber. Wir stellen jährlich in Deutschland etwa 1 550 Auszubildende ein, 2016 waren darunter sieben Geflüchtete.
Welche Herausforderungen zeigen sich bei der Qualifizierung und Integration von Geflüchteten?
Czock: Wir machen bei unseren Maßnahmen viele positive Erfahrungen. Die Motivation der Geflüchteten ist zum Beispiel durchgängig hoch. Sprachkenntnisse hingegen sind eine wesentliche Hürde bei der Qualifizierung. Das beobachten wir weniger im Betrieb selbst, wo sich Mitarbeiter auch mit Gesten verständigen können oder ein Kollege vielleicht die eigene Muttersprache spricht. Vielmehr erschweren fehlende Sprachkenntnisse die erfolgreiche Teilnahme am Unterricht in der Berufsschule, wo Fachbegriffe eine zentrale Rolle spielen. Viele Geflüchtete kommen zudem aus Krisengebieten, in denen schon vor der Flucht teilweise jahrelang kein geordneter Schulunterricht stattgefunden hat. Substanzielle Mathematik-, Physik- oder Englischkenntnisse sind dann kaum zu erwarten. Außerdem beobachten wir, dass die Erwartungen der deutschen Arbeitgeber und der Geflüchteten sich nicht immer decken. Für einige Geflüchtete ist eine Tätigkeit als Hilfsarbeiter, mit der sie schnell Geld verdienen und ihre Familien unterstützen können, attraktiver als eine lange, zunächst geringer bezahlte Ausbildung zur Fachkraft.
Wie können Unternehmen dabei helfen, diesen Herausforderungen zu begegnen?
Czock: Als wir mit unseren Maßnahmen zur Integration und Qualifizierung von Geflüchteten begonnen haben, konnten wir auf Erfahrungen mit spanischen Auszubildenden in Deutschland zurückgreifen. Obwohl hier natürlich wesentliche Unterschiede bestehen, wussten wir dadurch, dass die erfolgreiche Integration in den deutschen Arbeitsmarkt mehrere Jahre und gute Vorbereitung benötigt. Das Engagement in lokalen, regionalen und nationalen Initiativen sowie der Austausch mit den Institutionen vor Ort ist dabei ein Schlüssel. Denn wir sehen in unserer Arbeit an über 30 Standorten, dass die Bedürfnisse und Anforderungen deutschlandweit sehr unterschiedlich sind. Um Geflüchteten eine berufliche Perspektive bieten zu können, brauchen wir insgesamt mehr niederschwellige Informations- und Praktikumsangebote. Der Ausbildungscampus in Stuttgart zum Beispiel unterstützt Geflüchteten mit solchen einfach zugänglichen Informationen. Dort engagieren wir uns gemeinsam mit anderen Unternehmen. Integration findet nicht allein durch Sprachkurse statt, sondern braucht auch ein entsprechendes Umfeld und praktische Aufgaben.